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Eintracht Frankfurt und die Mühen der Ebene

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Von: Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz

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Auch der Beste kam nicht durch: Randal Kolo Muani (vorn) wird von Konstantinos Mavropanos gestoppt.
Auch der Beste kam nicht durch: Randal Kolo Muani (vorn) wird von Konstantinos Mavropanos gestoppt. © dpa

Eintracht Frankfurt misslingt die Generalprobe für das Rückspiel in der Champions League beim SSC Neapel. Zu wenige Alternativen in der zweiten Reihe.

Hinterher und nach einem enttäuschend dünnen 1:1 (0:0) gegen den Abstiegskandidaten VfB Stuttgart ist Oliver Glasner lange in der Frankfurter Kabine geblieben. Er hat etwas gesucht, und später, bei der Analyse auf dem Podium vor den Journalisten, musste er einräumen, nicht fündig geworden zu sein. „Ich habe den Schalter gesucht, und ich habe ihn nicht gefunden“, sagte der Coach des hessischen Bundesligisten schulterzuckend. Den Schalter, um bei Eintracht Frankfurt wieder das anzuknipsen, was die Mannschaft im Herbst des vergangenen Jahres ausgezeichnet hat: Lockerheit, Selbstvertrauen, Ungezwungenheit. Denn der Flow, der dieses Team in erstaunliche Sphären gespült hat, ist verschüttgegangen.

„Wir müssen uns eingestehen, dass uns das flüssige Spiel momentan nicht so von der Hand geht“, fasste Coach Glasner erst eine todlangweilige erste Halbzeit, dann eine halbwegs ordentliche zweite zusammen. „Wir müssen sehr viel arbeiten.“ Aus dem Bauch heraus klappt gegenwärtig wenig bis kaum etwas, Selbstverständlichkeiten werden plötzlich kompliziert, die Spielfreude ist dahin, Kreativität und Esprit sind nahezu völlig versandet.

Im Heimspiel gegen einen im dicksten Schlamassel steckenden Gegner war Eintracht Frankfurt nicht in der Lage, auch nur eine einzige ernsthafte und vielversprechende Tormöglichkeit heraufzubeschwören. Der Treffer von Kapitän Sebastian Rode (55.) entsprang einem Glücksschuss, der Seppl selbst räumte später freimütig ein, eigentlich eine Flanke, „scharf und leicht“ schlagen zu wollen, der Ball, von Verteidiger Borna Sosa abgefälscht, senkte sich dann hübsch ins Tor.

Der Treffer war zu einem Zeitpunkt gefallen, als man denken mochte, die Gastgeber hätten die Partie endlich in den Griff bekommen, zumindest war die Steigerung gegenüber dem ersten Abschnitt offensichtlich. Das war nicht schwer, in den ersten trägen 45 Minuten „ist nicht viel passiert“, sagte Rode ehrlich. Immerhin stellte auch er, der 32-Jährige, nicht in Abrede, dass der Mannschaft „eine gewisse Leichtigkeit“ abging und deshalb wohl eine dreiviertel Stunde lang die Bälle recht sinnfrei hin- und hergeschoben wurden - ohne jeden Zug zum Tor, ohne „den letzten Punch“, wie auch Altmeister Makoto Hasebe befand.

Aber wieso ist das momentan so? Warum ist der Wurm drin im Frankfurter Spiel, warum mangelt es den Spielern offensichtlich an Vertrauen in die eigenen, doch durchaus vorhandenen und schon gezeigten Fähigkeiten? Trainer Glasner wundert das auch: „Diese Mannschaft spielt die beste Hinrunde ihrer Vereinsgeschichte, sie steht erstmals in der Champions League im Achtelfinale und im Pokal im Viertefinale - und hat kein Selbstvertrauen. Wir sind Trottel.“

Gut, die Bilanz der letzten sechs Spiele - ein Sieg (Bremen), drei Niederlagen (Köln, Neapel, Leipzig), zwei Remis (Wolfsburg, Stuttgart) - ist nicht die allerbeste, aber muss einem deshalb gleich das Herz tief in die Hose rutschen? Am Samstag gegen die Schwaben war die Angst zu verlieren so viel größer als die Lust zu gewinnen. Kaum anders kann man erklären, warum sich, gerade im ersten Abschnitt, kaum einer mal traute, etwas zu wagen, womöglich ein Solo - Ausnahme Randal Kolo Muani - ein Dribbling, ja einen Schuss aufs Tor. Nur Sicherheitspässe quer, zurück. An Uninspiriertheit war die erste Halbzeit kaum zu überbieten.

Okay: Es bleibt für Eintracht Frankfurt schwierig, tiefstehende Mannschaften in Verlegenheit zu bringen. Da hat Sportvorstand Markus Krösche schon recht. Zumal, wenn von beiden Flügeln (Aurelio Buta, Philipp Max) kaum Torgefahr ausgeht oder zumindest verwertbare Flanken, wenn Mario Götze sich zunehmend selbst verheddert weil er keinen Spielpartner findet und mit sich selbst (und dem Schiedsrichter) hadert, weil er keinen Spielpartner findet, wenn Daichi Kamada nach seiner Einwechselung einen lustlosen Eindruck macht, wenn Rafael Borré zeigt, dass er keiner ist für den Job hinter der Spitze und Lucas Alario auf seine übliche Spielzeit von vier Minuten kommt. Kapitän Rode legt den Finger in die Wunde: „Es geht halt auch nicht, wenn du nur mit 13, 14 Spielern alle Spiele machst - da brauchst du den Punch von der Bank.“ Offenbar machen die Spieler im zweiten Glied zu wenig Druck auf die erste Garnitur, ähnlich hatte sich unlängst auch Hasebe geäußert, auch er vermisste die scharrende Konkurrenz der zweiten Reihe. „Wenn du dann siehst, was Stuttgart an Tempo in die Offensive reinbringt - da fehlt es bei uns ab und zu“, krittelte Rode. Ein Abstiegskandidat mit breiterem Kader?

Tatsächlich brachte ein von VfB-Trainer Bruno Labbadia in der 63. Minute vorgenommener Dreifachwechsel mit Silas, Coulibaly und Führich deutlich mehr Elan ins Stuttgarter Angriffsspiel. Prompt kamen die Gäste durch Silas (75.) noch zum Ausgleich, mal wieder musste die Eintracht einen Konter im eigenen Stadion nach leichtfertigem Ballverlust (Kamada) hinnehmen. Es war übrigens der einzige Schuss, der aufs Frankfurter Tor abgegeben wurde. „Wenn du 1:0 führst, darfst du dich nicht auskontern lassen“, ärgerte sich Krösche. Nach der eigenen Führung und der Kontrolle über das Spiel „haben wir ein bisschen zu wenig gemacht“. Nach dem Ausgleich hätten die Hessen, die immer passiver wurden, die Partie beinahe noch verloren. „Wir haben es nicht über die Ziellinie gebracht“, sagte Glasner.

Natürlich wird wieder über die Defensive zu reden sein, die gute 70 Minuten alles im Griff zu haben schien und dann doch erneut patzte, Tuta etwa, der bis dato sehr aufmerksam verteidigte, ließ sich aus dem Zentrum locken, machte dem VfB-Stürmer dadurch den Weg frei. Es sind Fehler wie dieser, die sich durch die ganze Saison ziehen

Eintracht Frankfurt wird mit dem Punkt leben müssen. Das ist keiner, der die Brust schwellen lässt vor der Herkulesaufgabe am Mittwoch in Neapel, mit oder ohne Fans. Es gebe solche Phasen im Fußball und im Leben, sagte Glasner, in denen nicht alles so einfach sei, Torchancen erarbeiten zum Beispiel. Oder Gegentore verhindern. Oder Fußball spielen. So mühsam ist das gerade.

Eintracht Frankfurt misslingt die Generalprobe für das Rückspiel in der Champions League beim SSC Neapel. Zu wenige Alternativen in der zweiten Reihe

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