1. Startseite
  2. Eintracht

Oliver Glasner im Interview: „Wir können mit unserem Offensivspiel nicht zufrieden sein“

Erstellt:

Von: Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

Kommentare

„Bei unserem Sieg in Piräus waren insgesamt Spieler, die letzte Saison 75 Prozent der Tore geschossen haben, nicht auf dem Feld: Eintracht-Trainer Oliver Glasner.
„Bei unserem Sieg in Piräus waren insgesamt Spieler, die letzte Saison 75 Prozent der Tore geschossen haben, nicht auf dem Feld“: Eintracht-Trainer Oliver Glasner. © imago images/Jan Huebner

Eintracht-Trainer Oliver Glasner spricht im Interview über die Schwierigkeiten seiner Arbeit und fehlende Geduld.

Herr Glasner, Hand aufs Herz: Haben Sie sich die Aufgabe bei Eintracht Frankfurter so schwierig vorgestellt?

Das ist ja gleich eine komplizierte Einstiegsfrage (lacht). Ich würde die Aufgabe als herausfordernd bezeichnen. Aber, um Ihre Frage zu beantworten: Ich hätte mir den Start etwas einfacher gewünscht.

Haben sie manche Sachverhalte falsch eingeschätzt?

Wenn man jetzt, nach vier Monaten, sehr viel mehr weiß und sich sein eigenes Bild machen kann, dann sind für mich ein paar Sachen nachvollziehbar, die ich vorher nicht so auf dem Schirm hatte.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wir können mit unserem Offensivspiel nicht zufrieden sein“

Was macht die Aufgabe so schwierig?

Puh, da müsste ich jetzt weit ausholen.

Bitte sehr.

Eines vornweg: Meine Analyse soll sich nicht nach Alibi oder Ausrede anhören. Ich bin verantwortlich dafür, wie wir dastehen und wie wir spielen. Fakt ist: Wir können mit unserem Offensivspiel nicht zufrieden sein. Zudem: Über allem steht die letztjährige 60-Punkte-Saison mit attraktivem Offensivspiel, das war eine Rekordsaison. Das hat alles überstrahlt. Wenn man sich aber die ganze Saison ansieht, dann drängt sich die Frage auf: Wer war hauptverantwortlich für das Offensivspektakel? Da fällt mir in erster Linie André Silva als Vollstrecker ein. Dann Bas Dost, und als der ging, kam Luka Jovic. Das waren die, die die meisten Tore geschossen haben, Silva natürlich mit Abstand am meisten. Insgesamt haben uns 63 Prozent aller Tore verlassen. Also von denen, die die Offensive getragen haben, sind nur noch zwei Spieler da: Filip Kostic und Daichi Kamada. Aber: Haben sie die Offensive getragen oder waren sie eher die Zulieferer?

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wir können keine 30 Millionen Euro investieren“

Sie waren eher die Zulieferer.

Richtig, mit überragenden Vorlagenwerten. Aber die Vollstrecker sind nicht mehr da. Und die, die gekommen sind, sind noch nicht die Vollstrecker. Das waren Luka Jovic und André Silva zu ihrer Anfangszeit in Frankfurt aber auch nicht. Wir dürfen nicht erwarten, dass der Rekordtorschütze der Eintracht von einem Tag auf den anderen eins zu eins ersetzt wird. Bei unserem Sieg in Piräus waren insgesamt Spieler, die letzte Saison zusammen 75 Prozent der Tore geschossen haben, nicht auf dem Feld. Aber wir haben trotzdem gewonnen. Nehmen Sie mal bei jedem anderen Klub 75 Prozent aller Tore raus. Da wird es für diese Mannschaften auch schwer. Wir sind dabei, uns anders aufzustellen. Das alles wieder so zusammenzufügen, dass es passt, das ist die größte Herausforderung. Wir haben uns noch nicht so gefunden, dass man sagen kann, das passt wie die Faust aufs Auge für unseren Kader. Das kreide ich mir an.

Was jetzt also tun?

Wir können keine 30 Millionen Euro investieren, wobei man auch da keine Garantie hat, wie man bei dem einen oder anderen Verein sieht. Es muss zusammenpassen, und die neuen Spieler brauchen auch Zeit. Wir müssen also andere Mittel finden, können uns nicht nur von den Flanken Filip Kostics abhängig machen. Letzte Saison hat das überragend funktioniert, aber letzte Saison ist vorbei und jetzt brauchen wir andere Lösungen. Daher müssen sich die Spieler vielleicht etwas umstellen, auch Filip muss sich etwas anpassen, auch mal mit flachen Pässen agieren. Er kann das ja. Darüber habe ich schon mit ihm gesprochen.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Geduld ist keine Stärke von mir“

Was schwebt Ihnen stattdessen vor?

Schnittstellenpässe sind ein probates Mittel, Kombinationen durch die Mitte. Das braucht Zeit, das ist eine Frage des Kennenlernens, des Harmonierens. Bisher haben wir es nicht so hinbekommen wie gewünscht, aber wir hatten auch keine zehn taktischen Trainingseinheiten zusammen. Das ist keine Ausrede, das ist Fakt. Das sage ich nicht aus Selbstschutz.

Wie schwer wiegt der Ausfall von Sebastian Rode?

Er ist unser Kapitän, und er hat uns bisher de facto gefehlt. Und nicht zu vergessen: Hinten ist im vergangenen Winter noch David Abraham als Persönlichkeit weggebrochen. Das ist schon ein großer Aderlass, da müssen wir uns jetzt neu finden. Und eines kann ich Ihnen versichern: Wenn es jemandem zu langsam geht, dann mir. Geduld ist keine Stärke von mir.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wir versuchen, für jedes Spiel die besten Lösungen zu finden“

Sind Sie denn mit der Defensive zufrieden?

Ich sehe uns schon stabil, aber ich bin nicht zufrieden, wie wir das Spiel von hinten nach vorne tragen. Auch hier haben wir Luft nach oben. Ein wichtiger Spieler ist hier Makoto Hasebe. Wenn er hinten drin spielt, ist es im Spielaufbau stabiler. Dafür haben wir dann das Thema, dass ein körperlich robuster Mittelstürmer viele lange Bälle sichern kann. Das eine spricht also dafür, das andere dagegen. Wir versuchen, für jedes Spiel die besten Lösungen zu finden.

Und eine Position weiter vorne im defensiven Mittelfeld geht nicht mehr? Da hat Hasebe ja letzte Saison auch ab und an noch gespielt.

Ich finde, dass Djibril Sow, Kristijan Jakic, Daichi Kamada und Rafael Borré es in den letzten Wochen sehr ordentlich gemacht haben. Sie haben sich gut gefunden. Djibril Sow war jetzt manchmal am Anschlag, klar, er hat viel gespielt, aber ich finde, dass sie sehr stabil waren.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wir werden auch schneller spielen“

Ein Problem neben der spielerischen Schlichtheit sind die schlechten Zweikampfwerte.

Wir haben uns da besser zu behaupten und durchzusetzen. Wir werden auch schneller spielen. Und dann frage ich Euch: Wie gewinnst du offensiv einen Zweikampf?

Durchs Dribbling.

Richtig. Da müssen wir uns auch mehr zutrauen, häufiger ins Eins gegen Eins gehen. Das ist die schwierigste Situation für einen Verteidiger. Wenn du vorbei kommst, hast du einen Abschluss oder es gibt vielleicht einen Elfmeter.

Zur Person

Oliver Glasner , 47, war entspannt zum ersten und sehr offenen Interview mit der FR gekommen – kein Wunder, hatte er doch gerade in seiner österreichischen Heimat in Salzburg ein wenig durchschnaufen können. „Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt vier Tage am Stück mit der Familie verbracht habe.“ Die kleine Erholung kann der reflektierende Fußballlehrer von Eintracht Frankfurt gut gebrauchen, stehen doch bis Weihnachten eine Menge Aufgaben an, acht Spiele in 27 Tagen sind zu bewältigen. Glasner, der als Profi mehr als 500 Spiele für die SV Ried bestritt, als Trainer Linz in die erste Liga und den VfL Wolfsburg in die Champions League führte, fühlt sich ansonsten pudelwohl in Frankfurt. Hier spüre man hautnah die enorme Strahlkraft der Eintracht, findet er. (FR)

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wenn uns der Gegner spielen lässt, sieht es gut aus“

Weshalb kann sich die Mannschaft aus dem Pressing des Gegners so schlecht befreien?

Wenn uns der Gegner spielen lässt, sieht es gut aus. Wenn er uns aber permanent in Zweikämpfe verwickelt, tun wir uns schwer. Das war in Bochum so, in Fürth und auch gegen Hertha BSC. Das müssen wir künftig besser machen und daran arbeiten wir.

Also ist erst mal bis zum Winter Schadensbegrenzung angesagt?

Wir werden jetzt versuchen, über Kampf und Mentalität so viele Punkte wie möglich zu holen. Zu Beginn des neuen Jahres haben wir deutlich mehr gemeinsame Trainingszeit, das wird uns gut tun.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: Ich habe auch Vertrauen in meine Spieler

Wird im Winter personell nachgebessert werden müssen?

Wir haben nach wie vor einen 25-Mann-Kader, da werden wir nicht drei Spieler dazu holen können. Ich habe auch Vertrauen in meine Spieler. Aber wenn es uns sinnvoll erscheint und sich eine Gelegenheit ergibt, dann könnten wir noch etwas machen. Dazu muss man aber immer im Hinterkopf haben: Corona hat ein Loch von 40, 45 Millionen Euro gerissen, vielleicht mehr. Dessen ungeachtet bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir auch mit diesem Kader unser Offensivspiel deutlich verbessern können und werden.

Andere Baustelle: Was ist eigentlich mit der rechten Seite los? Warum findet sich da keiner zurecht?

Wir haben verschiedene Varianten ausprobiert und suchen nach der besten Lösung. Auch hier ist Konstanz gefragt. Das Potenzial eines Spielers ist nicht das, was er in einem Spiel zeigt, sondern über eine ganze Saison. Es geht nun mal für mich wie für die Spieler darum: Wir müssen liefern. Das ist der Druck, den wir in der Bundesliga aushalten müssen.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Unsere Neuzugänge sind auf einem guten Weg“

Wie beurteilen Sie die Leistung Ihrer Neuzugänge, die ja teilweise in der Kritik stehen?

Ich sehe das, was ich bei vielen Spielern sehe, die zum ersten Mal in der deutschen Bundesliga spielen. Christopher Nkunku beispielsweise hat in Leipzig eine gewisse Zeit gebraucht, um Fuß zu fassen. Selbst Leroy Sané hatte im ersten Jahr bei Bayern Probleme. Martin Hinteregger sagte auch, im ersten halben Jahr habe er totale Schwierigkeiten in der Bundesliga gehabt. In anderen Ligen, außer in der Premier League vielleicht, wird mit einer geringeren Intensität gespielt. Die Bundesliga ist wahnsinnig zweikampfintensiv. Damit haben viele Spieler anfangs ihre Probleme. Unsere Neuzugänge sind aber auf einem guten Weg und machen Fortschritte.

Klappt es deshalb international besser bei Ihrem Team?

Nehmen Sie das Piräus-Spiel und unser erstes Tor: Rafael Borré bekommt den Ball, kann ihn annehmen, sich aufdrehen und Daichi Kamada steil schicken. In der Bundesliga steht ihm vor dem ersten Kontakt schon einer auf den Füßen, er kommt gar nicht dazu, aufzudrehen. Solch ein Tor schießen wir gegen eine deutsche Mannschaft nicht. Oder nehmen Sie Jesper Lindström. Für ihn heißt es vor allem, gute Positionen zu finden, wie etwa bei der Vorbereitung des Siegtores gegen Piräus. Er braucht den Raum und muss Gesicht zu Gesicht zum Verteidiger stehen. Das ist ein Prozess.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Wir wollen die Zahl der Gegentreffer reduzieren“

Und Jens Petter Hauge?

Er ist in diesen Bereichen ein Stück weiter, er braucht hingegen noch mehr Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit. Kristijan Jakic wiederum passt mit seiner Aggressivität sehr gut zur deutschen Bundesliga, auch Borré ist diese Härte aus Kolumbien und Argentinien gewohnt. Anderseits: Wenn auch ein Donyell Malen, der 30 Millionen gekostet hat und in Dortmund an der Seite von Haaland und Reus gedeihen kann, Schwierigkeiten hat, dann zeigt auch dieses Beispiel, dass der Sprung in die Bundesliga ein großer ist und wir Geduld haben müssen. Aber das Wichtigste ist: Jeder Spieler muss mit der Einstellung kommen, jeden Tag besser werden zu wollen.

Welche Art von Fußball wollen Sie mit der Eintracht im Idealfall spielen lassen?

Den Gegner früh unter Druck setzen, schnell nach vorne spielen, den Ball schnell und flach laufen lassen. Dazu wollen wir die Zahl der Gegentreffer reduzieren. Bislang funktioniert das noch nicht so, wie ich mir das vorstelle.

Eintracht-Frankfurt-Trainer Glasner: „Im letzten halben Jahr ist hier sehr viel passiert“

Wie kann man es dann schaffen?

Die teuersten Transfers sind die für die Offensive, dazu fehlen uns die Mittel. Also müssen wir andere Mittel finden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, je weniger Gegentreffer wir kassieren, umso erfolgreicher werden wir spielen. Und das wird nicht zu Lasten der Offensive gehen. Ein Rädchen muss ins andere greifen, bisher verhaken sich bei uns noch zu viele Rädchen.

Auch eine Folge der vielen Umwälzungen im Team und im Verein?

Im letzten halben Jahr ist hier sehr viel passiert. Ich meine damit den Verlust der kompletten Sportlichen Führung, und elf neue Spieler haben wir zudem in der Kabine. Es ist ein großer Umbruch, der so auch sicherlich nicht geplant war. Aber ich spüre täglich im ganzen Klub ein wahnsinniges „Wir“. Es ist ein Miteinander. Das macht es einerseits schön, andererseits spüre ich dadurch auch eine enorme Verantwortung.

Ganz direkt gefragt: Wenn Sie gewusst hätten, wie groß der Umbruch werden würde, wären Sie nicht gekommen, oder?

Was mich überzeugt hat, ist, dass die Sportliche Führung in eine Richtung geht. Wenn Markus Krösche, unser Vorstand und ich nach vorne schauen, dann sehen wir alle das gleiche Bild. Es ist nicht so, dass einer einen Picasso sieht und der andere einen van Gogh. Das würde nicht zusammenpassen. Daher war die Entscheidung für die Eintracht genau die richtige. (Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt)

Das defensive Mittelfeld bei Eintracht Frankfurt liefert aktuell nicht die Schubkraft, die erforderlich wäre.

Auch interessant

Kommentare