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Eintracht Frankfurt: Tutas Beförderung

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Von: Thomas Kilchenstein

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Die erstaunliche Entwicklung vom rechten Verteidiger des Brasilianers Tuta zum Chef der Abwehrkette bei Eintracht Frankfurt - und Hoffnungsträger im Europa-League-Finale.

Frankfurt – Nach 45 Minuten war die Tagesarbeit für Lucas Silva Melo schon getan, fortan guckte er dem lustigen Treiben von außen zu. Frisch geduscht und im sauberen roten T-Shirt saß er auf der Ersatzbank, dort kühlte Tuta, den der freundliche Stadionsprecher immer mit dem Vornamen „unser Brasilianer“ vorstellt, allerdings seinen Knöchel mit einem dicken Eisbeutel. Sollte sich der junge Verteidiger ausgerechnet im belanglosen Spiel gegen Borussia Mönchengladbach eine Verletzung zugezogen haben, womöglich eine schwerwiegendere?

Recht bald gab Oliver Glasner, der Trainer von Eintracht Frankfurt, Entwarnung, eine „reine Vorsichtsmaßnahme“ sei die Auswechslung gewesen. Denn in der Halbzeitpause hätte die medizinische Abteilung bei Tuta einen „erhöhten Muskeltonus“ festgestellt, ein Indiz, dass in der Muskulatur irgendetwas gestört sein könnte. Tuta selbst spürte nichts, er wollte noch ein Viertelstündchen weitermachen, aber da schüttelten die Mediziner den Kopf, Tuta hatte am Sonntag früh Feierabend.

Eintracht Frankfurt: Auf Tuta warten neue Aufgaben

Auf den jungen Kerl warten ja noch ganz andere Aufgaben. Aufgaben, die er selbst nicht erwartet hätte. Tuta, mit der Erfahrung von 44 Bundesligaspielen und zehn Europa League-Schlachten ausgestattet, wird, so wie es aussieht, im wichtigsten Spiel der jüngeren Klubgeschichte am kommenden Mittwoch im Finale in Sevilla Chef der Frankfurter Hintermannschaft sein. Eine erstaunliche Beförderung. Und eine, die ein wenig überraschend kam. Eigentlich schien der Vertreter für Martin Hinteregger, der wegen einer Muskelverletzung nur noch motivierend helfen kann, Makoto Hasebe zu sein, er alte Souverän. Doch Glasner stellte im Rückspiel gegen West Ham nach dem „Hinti“-Aus den unerfahrenen Tuta auf diesen verantwortungsvollen Posten. Und der aus São Paulo stammende Verteidiger löste die knifflige Aufgaben gut. Er spielte so, als habe er nie etwas anderes getan, dabei war es das erste mal. Abgebrüht, abgezockt spulte er seinen Part herunter, zeigte keine Spur von Aufgeregtheit oder Unsicherheit.

Sicher am Ball: Tuta.
Sicher am Ball: Tuta von Eintracht Frankfurt. © Treese/Imago Images

All das hätte man annehmen können, denn er hatte sich ja gar nicht darauf einstellen können. Doch Tuta funktionierte prächtig. Und ist damit auch im Endspiel gegen Glasgow Rangers erste Wahl bei der Besetzung des zentralen Innenverteidigers, zumal die Rangers nicht mit einem bulligen Mittelstürmer mit Gardemaß zu spielen pflegen. Vermutlich wird Trainer Glasner Tuta auch am kommenden Samstag beim Saison-Halali beim FSV Mainz 05 als zentraler Mann in der Abwehrkette spielen lassen, mit Almamy Touré und Evan Ndicka an seiner Seite. Der Fußballlehrer hat ja schon angekündigt, beim Nachbarn die beste Elf nominieren zu wollen und dieses letzte Bundesligaspiel als Generalprobe für den Saisonhöhepunkt in Andalusien zu nutzen.

Sicher ist das natürlich nicht: Aber Glasner hat die Gewissheit, dass er sich - selbst nach dem Ausfall von Leistungsträger Hinteregger - auf sein Defensiv-Quartett mit Touré, Tuta, Ndicka und Hasebe verlassen kann, einerlei, wer letzten Endes in der Startformation steht. Dass der Coach auch den Japaner unbesehen bringen kann, hat Hasebe ja erst wieder am Sonntag gegen Gladbach unter Beweis gestellt, ein Risiko geht Glasner mit Sicherheit nicht ein, so oder so.

Und das ist vor allem für Tuta und Touré das größte Lob. Dass Evan Ndicka längst zu einer fast unersetzlichen Stütze hinten links geworden ist, überraschte niemanden, allenfalls wie schnell der auch erst 22-Jährige zu einer unumstößlichen Säule geworden ist. Touré aber galt immer ein bisschen als Sorgenkind, der von seinen Anlagen eigentlich alles mitbringt, aber stets Phasen in sein Spiel streute, in denen er unkonzentriert, fast schläfrig wirkte. Dies hat der Franzose mit Wurzeln in Mal in den letzten Partien, als er gebraucht wurde, komplett abgelegt: In Barcelona machte er, der bis dato allenfalls als Reservist zum Einsatz kam, ein überragendes Spiel, auch gegen West Ham überzeugte er. Sollte das Vorurteil vom Bruder Leichtfuß der Vergangenheit angehören?

Eintracht Frankfurt: David Abraham machte Platz

Die Entwicklung von Tuta ist dessen ungeachtet erstaunlich: Als er aus Brasilien kam, 2019, schickte ihn die Eintracht nach Belgien in die Lehre, erst der vorzeitige Abgang des alten Kapitäns David Abraham machte für ihn den Weg frei in die erste Elf, hinten rechts. Zu Beginn dieser Saison zählte er keineswegs zur Stammmannschaft, die ersten Bundesligaspiele verpasst er, da hinkte er seinem Leistungsvermögen arg hinterher. Dann kam, am siebten Spieltag, das Spiel bei Bayern München, das die Eintracht 2:1 gewonnen hatte, und seitdem läuft es beim Brasilianer: „Seitdem passiert vieles auf natürliche Art und Weise, Selbstvertrauen wächst, man wird stärker, hat mehr Zutrauen. Auf einmal greift ein Rädchen ins andere“, sagte er zuletzt im FR-Interview. Wie er verteidigt, so Glasner kürzlich, „da geht mir das Herz auf“.

Er hat Geduld bewiesen, Stehvermögen und würde, wie er sagte, „meine Arbeit gerne in Frankfurt fortsetzen“. Gespräche über eine Vertragsverlängerung laufen bereits, Tuta ist der Mann der Zukunft. Die in den hinteren Reihen bei Eintracht Frankfurt ohnehin jung ist: Tuta 22, Touré 26, Ndicka 22. Da geht noch was. (Thomas Kilchenstein)

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