Eintracht trotzt Leipzig ein Remis ab: Die erste Hürde auf dem Weg zur Champions League genommen

Erst in der zweiten Halbzeit fasst sich Eintracht Frankfurt ein Herz und ergattert nach schwachem Beginn einen Punkt in Leipzig.
- Eintracht Frankfurt holt einen Punkt bei Spitzenteam RB Leipzig.
- Daichi Kamada egalisiert die Führung durch Emil Forsberg.
- Auf Adi Hütter und seine Mannschaft warten weitere starke Gegner.
Frankfurt - Wer gut spielt, muss ans Mikrofon, und auch da hat Stefan Ilsanker, wie schon in den 90 knackigen Minuten zuvor, eine gute Figur abgegeben, schlagfertig ist er allemal. Ob beim 1:1 (0:0) nicht auch eine gehörige Portion Glück dabei gewesen war, wollte die TV-Reporterin vom kurzfristig zum Abwehrchef beförderten Österreicher wissen. Das könne gut sein, entgegnete Ilsanker mit sprichwörtlichen Schmäh in der Stimme, „Leipzig hat schon ein bisserl Glück gehabt.“
Eintracht Frankfurt: Ilsanker mit starker Leistung
Das hat Stefan Ilsanker natürlich nicht ganz ernst gemeint, wenn ein Team mit Fortuna im Bunde gewesen war, dann war das sicherlich Eintracht Frankfurt. Aber der Mann, der die mittlerweile fast schon verpönte Ballgrätsche wieder salonfähig gemacht hat, war sicht- und hörbar bester Laune, was an seiner außerordentlich guten Leistung und vielleicht auch an der Tatsache lag, dass ausgerechnet er im Spiel gegen die flinken Leipziger Angreifer der allerschnellste Sprinter gewesen sein soll. 33,96 km/h soll das Messgerät angezeigt haben, ein erstaunlicher Wert.
Den Punkt aus Leipzig nehmen die Frankfurter sehr gerne mit, einerlei ob er nun „hochverdient“ (Sportdirektor Bruno Hübner) oder „glücklich (Cheftrainer Adi Hütter) zustande gekommen war. Gerechnet hatten vorher damit wahrscheinlich die wenigsten, zu geballt schien die Qualität aus Sachsen, und dann fallen bei den Gästen kurzfristig auch noch Martin Hinteregger (Oberschenkelprobleme) und Erik Durm (Zerrung des Hüftbeugers) aus, Ausfälle, die Statik und Ausrichtung des Frankfurter Spiels anfangs massiv in eine Disbalance gebracht hatten, vor allem die rechte Seite, auf der Daichi Kamada spielte, funktionierte gar nicht (siehe Bericht auf der Seite 21).
Eintracht Frankfurt: Martin Hinteregger verletzt
Anstelle von Hinteregger spielte Landsmann Ilsanker zentral in der Abwehr, und der 30-jährige Vertreter des eigentlich Unersetzbaren „hat hinten den Laden dichtgehalten“ (Hübner). Die beiden Ausfälle hatte Hütter mit einer defensiveren Variante zu kompensieren versucht, er hatte in Sebastian Rode, Djibril Sow und Makoto Hasebe gleich drei zentrale, defensiv denkende Mittelfeldspieler aufgeboten, um das Zentrum zu verdichten - eine Taktik, die auf Kosten einer forscheren Vorgehensweise ging. „Anfangs haben wir uns zu sehr versteckt“, sagte Bruno Hübner, „das darf man nicht tun in Leipzig.“
Wahrscheinlich war es der erforderlichen Umstellung geschuldet, dass Eintracht Frankfurt schwer in diese Partie gefunden hatte, die ersten zehn Minuten seien „katastrophal“ gewesen, urteilte Ilsanker, danach wurde es nur um Nuancen besser, da agierten die Gäste viel zu defensiv, zeigten „viel zu viel Respekt“ (Torwart Kevin Trapp) und machten „vieles nicht gut“ (Hütter). Es gab zahlreiche leichte Ballverluste, ohnehin lag die Frankfurter Passquote lediglich bei 71 Prozent, dazu habe man häufig „am Ball vorbei geschlagen“ (Ilsanker) und im Grunde sich nach vorne „gar keine Chance“ (Hasebe) erarbeiten können.
Eintracht Frankfurt: Kamada mit der ersten Chance
Die erste Torannäherung datiert aus der 39. Minute, der verunglückte Schuss von Kamada rauschte um gut fünf, sechs Meter am Tor vorbei. Gut, dass Kevin Trapp gegen den durchgebrochenen Justin Kluivert (7.) oder beim Schuss von Emil Forsberg (14.) gleich auf dem Posten war. Das Beste an der ersten Halbzeit war aus Frankfurter Sicht das Ergebnis, später konnte keiner RB-Trainer Julian Nagelsmann widersprechen, der einen Zwei-Tore-Vorsprung für seine Leipziger als durchaus möglich erachtet hatte,
Der keinesfalls unverdiente Treffer fiel dann unmittelbar nach dem Wiederanpfiff, wie so oft in letzter Zeit. Einen „ekligen Schuss“ (Trapp) von Kluivert vermochte der Frankfurter Schlussmann noch zur Seite abzuwehren, doch Forsberg staubte ab (47.). Mal wieder war die Eintracht in einen Rückstand geraten. Und wieder kämpfte sie sich neu ins Spiel hinein, von einer „sensationellen Rückkehr“ sprach Dampfmacher Sow, stolze 16 Punkte holten die Frankfurter in dieser Saison nach einem Rückstand. In der zweiten Hälfte habe man „das Herz in beide Hände genommen und Fußball gespielt“, lobte Sportdirektor Hübner.
Es war ausgerechnet Daichi Kamada, der sich so gar nicht wohl fühlte auf dem rechten Flügel, der nach etwas mehr als einer Stunde nach feiner Vorarbeit von Rode und André Silva den Ausgleich erzielte. In der zweiten Hälfte waren die Hessen deutlich präsenter, und zum Schluss lag sogar ein Sieg im Bereich des Möglichen, dem eingewechselten Luka Jovic hatte sich noch eine Gelegenheit (81.) geboten, die der Angreifer früher schon mal genutzt hatte. Dieses Mal verzog er. „Hinten raus hatte ich das Gefühl, dass wir sogar noch gewinnen könnten, doch das wäre nicht verdient gewesen“, sagte Hütter.
Das Remis beim Titelanwärter lässt Eintracht Frankfurt weiterhin alle Möglichkeiten auf einen Champions League-Platz - insbesondere, da Konkurrent Bayer Leverkusen zu Hause gegen den Abstiegskandidaten Arminia Bielefeld Federn hatte lassen müssen. „Wir wollen, vielleicht können wir auch, die anderen aber müssen in die Champions League – das ist der große Unterschied“, sagte Trainer Hütter, der den einen Punkt als „Gold wert“ ansah.
Eintracht Frankfurt zufrieden mit Remis in Leipzig
Zumal die Partie beim Tabellenzweiten erst der Auftakt einer ganzen Serie von Spielen gegen alle Topteams der Liga - außer Bayern München - war, Hütter sprach von „einem Hürdenlauf“. Und gerade gegen die unmittelbare Konkurrenz im Kampf um die Königsklasse - also Dortmund, Leverkusen und Wolfsburg - sollten die Frankfurter nicht verlieren. „Im April kommen die Wochen der Wahrheit“, sagte Hütter.
Der Auftakt ist gemacht, am nächsten Samstag kommt in Union Berlin erneut ein guter Gegner ins heimische Stadion. „Wir können unser großes Ziel erreichen“, findet Stefan Ilsanker, und zwar dann, „wenn wir so kämpfen wie heute und ein bisserl besser Fußball spielen.“ (Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein)