Eintracht Frankfurt - verlieren verboten

Eintracht Frankfurt tritt mit voller Kapelle bei Standard Lüttich an und sollte im Endspiel um Europa eine Niederlage vermeiden.
Am Mittwoch, pünktlich zur Mittagszeit, hat der Flieger mit der Frankfurter Entourage von Rhein-Main abgehoben und ist 60 Minuten später in Grâce-Hollogne, auf dem Aeroport de Liège, wieder gelandet, zehn Kilometer vor den Toren Lüttichs. Neun Grad, bedeckter grauer Himmel, Nieselregen, typisches Novemberwetter also.
SGE erwartet zweites Endspiel
Auf Eintracht Frankfurt wartet am Donnerstag ab 18.55 Uhr (live bei Dazn) bekanntlich das zweite von zwei Endspielen um das Erreichen der K.o.-Phase in der Europa League, es ist „ein Schlüsselspiel“, wie nicht nur Trainer Adi Hütter immer wieder betont hat. Mittlerweile dürfte jedem die Bedeutung dieses vierten Gruppenspiels klar sein: Verlieren ist verboten. Denn dann wäre Standard Lüttich, der Widersacher im Kampf um den zweiten Gruppenplatz hinter dem FC Arsenal, in der besseren Position - selbst wenn die Hessen zwei oder mehr Tore bei einer etwaigen Niederlage erzielen würden.
Denn Lüttich hat im letzten Gruppenspiel vor eigenem Publikum gegen die dann höchstwahrscheinlich schon für das Sechzehntelfinale qualifizierten Londoner die Chance (die Eintracht muss bei Arsenal ran), mit einem Remis oder gar einem Sieg der Eintracht eine Nase zu drehen. Bei einer Frankfurter 0:1-Niederlage wären die Belgier in einer noch komfortableren Lage, da sie dann den direkten Vergleich (Hinspiel: 2:1) gewonnen hätten - immer unter der Maßgabe, Vitoria Guimaraes verliert und Arsenal gewinnt die beiden jeweils noch ausstehenden Partien. Ohne eigenen Treffer wiederum blieben die Hessen selten, in ihren bisherigen 21 Saisonpflichtspielen gab es nur in den Spielen in Straßburg (0:1) und zu Hause gegen Arsenal (0:3) kein Frankfurter Tor.
Sieg oder Unentschieden - SGE wäre durch
Mit einem Remis (oder einem Sieg) gegen Standard wiederum wäre Eintracht Frankfurt so gut wie durch, „ein Sieg“, sagt Sebastian Rode, „wäre ein Meilenstein“, ein „großer Schritt Richtung Sechzehntelfinale“, so Hütter.
Lüttich: Bodart – Vojvoda, Laifis, Lavalee, Fai – Cimirot, Amallah – Mpoku, Bastien, Lestienne – Emond.
Frankfurt: Rönnow - Abraham, Hasebe, Hinteregger - da Costa, Kostic - Fernandes, Sow, Rode - Dost, Paciencia.
Schiedsrichter: Jug (Slowenien).
Der Eintracht fehlen: Trapp (Aufbautraining nach Schulter-OP), Touré (Oberschenkelverletzung), Russ (Achillessehnenriss), Torro, de Guzman (beide nicht gemeldet).
Viel größer als nach einer 5:1-Gala gegen den Abonnementsmeister Bayern München, kann wiederum das Selbstvertrauen nicht sein, mit dem die Eintracht nach Belgien reist. Diesen Elan, diesen Flow will die Frankfurter Reisegesellschaft, zu der Dominik Kohr, Erik Durm und Dejan Joveljic nicht gehörten, auf alle Fälle mitnehmen. Dass eine breite Brust gut tut, dürfte im mit 30 000 Zuschauern zwar zweitgrößten belgischen Stadion, dennoch engen und lauten Stade Maurice Dufrasne nicht verkehrt sein. Ein bisschen ähnelt das Stadion in Lüttich jenem in Straßburg - dort bekam Eintracht Frankfurt, auch wegen mangelhafter Einstellung, in der ersten Halbzeit kein Bein auf den Boden.
SGE erwartet in Lüttich heimstarker Gegner
Dessen ungeachtet ist der Respekt vor den sehr heimstarken Belgiern, aktuell Tabellenzweiter in der Jupiler Pro League, durchaus groß. „Man kann beide Spiele überhaupt nicht miteinander vergleichen“, sagt Coach Hütter. Aber die Partie gegen die Bayern habe gezeigt, „dass wir auch gegen Spitzenteams gut spielen können“. Andererseits dürfte es ihm nicht unlieb sein, dass Lüttich allenthalben als schwerer Brocken gilt - die Gefahr, den nächsten Gegner nach einem Triumph über die Bayern im Gefühl der eigenen Stärke zu unterschätzen, ist immer gegeben. Auch wenn die Eintracht zu besonderem Hochmut nicht neigt - allenfalls zu einer gewissen Nachlässigkeit in den ersten 45 Minuten.
Trotzdem hat Eintracht Frankfurt zuletzt zwei Gesichter gezeigt: Zu Hause sind die Frankfurter eine Macht, acht Siege aus elf Spielen bei nur einer Niederlage belegen dies, daher rangieren sie in der Bundesliga-Heimtabelle mit 14 Zählern an der Spitze. Auswärts dagegen hapert es. Zwar gab es in zehn Spielen auch sechs Siege. Darunter fallen aber die Auftritte in der Europa-League-Qualifikation in Tallinn und in Vaduz sowie im DFB-Pokal beim Drittligisten Waldhof Mannheim und beim Zweitligisten FC St. Pauli.
Zwei Gesichter der SGE
In der Bundesliga gab es drei Niederlagen in vier Spielen. Auswärtssiege gab es lediglich beim Aufsteiger Union Berlin (2:1) und im Europacup beim hart umkämpften 1:0 in Guimaraes. In der Liga-Auswärtstabelle belegt die Eintracht mit drei Punkten Platz 13, knapp vor Mainz, Union Berlin und Paderborn. „Es ist immer einfacher mit unseren Zuschauern im Rücken, die uns nach vorne hieven“, sagt Hütter. Dieses Mal müssen sie es allein schaffen. Auf Unterstützung ihrer gewohnt reisefreudigen Fans müssen die Eintracht-Profis verzichten, nicht einmal heimlich sollen Frankfurter Anhänger ins Stadion kommen dürfen - Lüttich ist zur verbotenen Stadt (für Frankfurter*) erklärt worden.
Die Gründe für die offenkundige Diskrepanz sind Hütter nicht ganz genau klar. Mehrere Parameter im Vergleich zu Heim- und Auswärtsspielen sind fast gleich, etwa beim Torschussverhältnis, bei Zweikämpfen, Spielanteilen oder der Fehlpassquote. In der vergangenen Runde holten die Hessen in der Fremde stolze 26 Zähler, fast so viele wie damals zu Hause (28).
Es wird heute auf Ballsicherheit ankommen, auf eine gute Organisation, und ihre Nerven sollten die Frankfurter im Hexenkessel in der Rue de la Centrale 2 ebenfalls im Griff haben. Wie schnell ein Platzverweis die Situation auf dem Rasen auf den Kopf stellen kann, hat man ja erst kürzlich im Stadtwald gesehen.
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