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Das neue Leben des Alex Meier

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Von: Ingo Durstewitz, Thomas Kilchenstein

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Ein großer Moment für Eintracht Frankfurt: Meier stemmt den DFB-Pokal in die Höhe.
Ein großer Moment für Eintracht Frankfurt: Meier stemmt den DFB-Pokal in die Höhe. © dpa

Nach dem Karriereende wird der als Fußballgott gefeierte Ex-Profi Alex Meier bei Eintracht Frankfurt eine Aufgabe erhalten.

Sein letztes Tor war natürlich ein spektakuläres, ein feiner Lupfer aus gut 20 Metern, mit links, überlegt, nicht einfach zu erzielen, Gefühl gehört schon dazu. Aber Gefühl in den Füßen, das hatte Alexander Meier, der an jenem 18. Oktober des vergangenen Jahres in Melbourne natürlich nicht wissen konnte, dass dieses Sahnetor das letzte in seiner sehr langen und sehr erfolgreichen Karriere sein würde. Drei Monate danach stieg er aus, beendete sein letztes Fußball-Abenteuer in Australien, bei den Sydney Wanderers. 

Vor einer Woche kehrte er zurück nach Hause, nach Buchholz in der Nordheide, wo sein Vater und erster Trainer lebt und sein geliebter Vierbeiner Alf, der nicht mit durfte nach Down Under. Alex Meier ist nun - nach 458 Spielen und 152 Toren - kein Fußballer mehr, kein Profi, allenfalls noch ein Fußballgott im Ruhestand, aber wie klingt denn das? „Ich bin traurig, dass es vorbei ist, ich habe für mein Leben gerne Fußball gespielt“, sagte er dieser Tage der FR. So ganz hat er bislang noch nicht Abstand gewinnen können, er habe noch nicht die Zeit gefunden, „alles zu reflektieren“. Er sagt aber auch, er freue sich auf „einen neuen Lebensabschnitt“.

Mitte Februar hat Alex Meier einen Termin mit Fredi Bobic

Was der für ihn bereithält, weiß er noch nicht. Mitte Februar auf jeden Fall hat er einen Termin mit Eintracht Frankfurt, mit Fredi Bobic. Nach seiner Karriere, so war es abgemacht, erhält er bei seinem Herzensklub einen Anschlussvertrag. Am liebsten würde er als Trainer tätig sein, Schreibtischarbeit ist nicht so sein Ding. „Wir gucken mal, was die Eintracht für Vorstellungen hat.“ Sicher sei er, dass „wir Lösungen finden“, die beide Seiten „glücklich machen“, am besten für die neue Saison. Fußballerisch, sagt der 37-Jährige, „bin, war und werde ich immer Eintracht bleiben.“

14 Jahre hat er für diesen Klub gespielt, er ist mit ihm auf- und abgestiegen, ist jeweils Torschützenkönig in der ersten und zweiten Liga geworden, er hat europäisch gespielt, in Baku und Vigo, in Porto und Bordeaux, aber nicht mehr in London, Mailand, Marseille oder Charkow. Da war er schon nicht mehr dabei, obwohl er liebend gerne noch ein Jährchen dran gehängt hätte nach dem Pokalgewinn 2018, den er auch nur von der Tribüne in Berlin hatte miterleben dürfen, was ihn arg getroffen hat. Trainer Niko Kovac hatte ihn damals nicht für den Kader nominiert. Dabei hatte Meier zwei Wochen zuvor noch einen triumphalen Auftritt gefeiert, ein Comeback, so kitschig und unrealistisch, wie nur der Fußball sein kann. 

Niko Kovac: „Alex Meier ist Eintracht Frankfurt“

Nach mehr als einem Jahr Pause wegen anhaltender Probleme im Sprunggelenk, kam der „Mittelfeldstürmer“, wie ihn die FR einst taufte, fünf Minuten vor dem Ende zu einem magischen Kurzeinsatz. Sekunden später erzielte er auf Flanke von David Abraham das 3:0 gegen den Hamburger SV. Das ganze Stadion stand, es kochte und brodelte, erwachsene, gestandene Männer, auch in der Vorstandsloge, hatten Tränen der Rührung in den Augen. „Ein wirklich großer Moment“, sagte Vorstand Axel Hellmann, selbst Kovac, wahrlich kein Meier-Freund, merkte anerkennend an, „Alex Meier ist Eintracht Frankfurt, er genießt Kultstatus“. 

Doch einen würdevollen Abschied des verdienten Sportlers hatte Eintracht Frankfurt nicht hingekriegt, Meier hat seine Ausmusterung als Tiefschlag, als Schlag ins Kontor empfunden. „Ich wollte meine Karriere doch bei der Eintracht beenden.“ So spielte er weiter, erst beim FC St. Pauli, dort, wo 2002 alles begann, dann zum Abschluss noch einmal am anderen Ende der Welt in Sydney, wo er „viel Lebenserfahrung gesammelt“ habe.

Alex Meier, der sanfte Riese

Alex Meier war viele Jahre das Aushängeschild des Klubs, er war das Gesicht der Eintracht, er war lange ihr Kapitän. Gerade in diesen Zeiten, da Vereinswechsel die Regel sind, war er immer eine Identifikationsfigur, einer, der verlässlich war, der immer da war, in guten wie in schlechten Zeiten. Dabei hatte es Alex Meier, der sanfte Riese, anfangs schwer gehabt, die Gunst des Publikums zu gewinnen. Es gab Spiele, da tauchte er völlig ab, war nicht zu sehen, anfangs wirkte sein Spiel bei einer Länge von 1,96 Metern zuweilen staksig. Mit jedem Tor, das der Lange erzielte, wurden die Vorbehalte weniger.

Dem Mann mit dem Zopf war zudem das Kunststück gelungen, in seinem ersten und seinem letzten Spiel für die Eintracht jeweils ein Tor zu schießen, sein erstes Spiel machte er übrigens am 9. August 2004, gegen Alemannia Aachen (1:1), 15 Jahre ist das her und es sollte sein erster von 119 Treffern in 336 Spielen für die Hessen sein.

Alex Meier ist aus der Zeit gefallen

Es war der langjährige Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen, der sich seinerzeit um den jungen Mann kümmerte, gerade 21 geworden, Meiers Mutter hatte größte Bedenken, dass Alex in der Großstadt unter die Räder kommen könnte. Frankfurt sei doch ein so gefährliches Pflaster, argwöhnte sie. Bruchhagen versprach, auf den Filius aufzupassen, und hielt Wort. Der Eintracht-Boss war stets ein Fürsprecher für Meier, und als der vor Aubameyang und Lewandowski die Torjägerkanone gewann*, 2014/15 übrigens mit 19 Treffern, empfand Bruchhagen das als den „vielleicht schönsten Moment meiner Zeit bei der Eintracht“.

Es kommt nicht mehr so oft vor, dass ein Profi 14 Jahre einem Klub die Treue hält, der selbst ein Zehn-Millionen-Angebot aus China binnen Minuten ausschlägt, weil er weiß, wo er hingehört. Irgendwie ist Meier aus der Zeit gefallen, bodenständig, unkompliziert, normal. Starkult ist ihm fremd gewesen, er ist eher zurückhaltend, still, lautes Reden mag er nicht. Auch deshalb ist er in Frankfurt verehrt und geliebt worden, genießt er Ikonenstatus. Meier steht für Werte wie Vereinstreue, Loyalität, Verbundenheit, er hat vielen Menschen Halt gegeben, nie hat er den Wunsch nach einem Foto oder Autogramm ausgeschlagen.

Nun ist Alex Meier kein Fußballer mehr, ein neuer Lebensabschnitt beginnt für ihn. Er wird ihm womöglich schwerer fallen als einen Ball aus 20 Metern ins Tor zu lupfen.

Von Thomas Kilchenstein und Ingo Durstewitz

*fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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