Eintracht Frankfurt: Räte wollen Hellmann halten

Der Machtkampf der Bosse Hellmann und Holzer, ein wütender Trainer Glasner: Eintracht Frankfurt zerlegt sich gerade mal wieder selbst.
Im schwelenden Machtkampf bei Eintracht Frankfurt hat sich der achtköpfige Aufsichtsrat hinter seinen Vorsitzenden Philip Holzer gestellt und gleichzeitig Vorstandssprecher Axel Hellmann zu einem Verbleib aufgefordert. Man habe Vertrauen in Holzer, hieß es in einer Mitteilung am Freitagabend. Gleichzeitig betonten die Räte, dass man Hellmann als Vorstandssprecher unbedingt halten wolle. Man habe der Berufung Hellmanns in einer Notsituation der Liga zu einem von zwei Interims-Geschäftsführern der DFL zugestimmt. „Diese Zusage gilt bis zum 30. Juni 2023.“ Hellmann wird gerade von den Bundesliga-Topklubs dazu gedrängt, dauerhaft den DFL-Vorsitz zu übernehmen.
Im Sinne von Eintracht Frankfurt wünscht sich der Aufsichtsrat eine Beilegung der Differenzen und eine kooperative Zusammenarbeit. Vereinspräsident Peter Fischer wird als Vertreter des Hauptaktionärs ein gemeinsames Gespräch führen. „Beständigkeit und Verlässlichkeit haben in den vergangenen Jahren Eintracht Frankfurt ausgezeichnet. Eine spaltende Kommunikation ist schädlich“, ließ sich Fischer zitieren. Zwischen Hellmann und Holzer gab es zuletzt immer wieder Spannungen, Holzer hatte im ersten Schlichtungsgespräch der beiden Bosse am 15. März sogar seinen Rücktritt angeboten. Aus dem Umfeld Hellmanns heißt es, der Vorstandssprecher ist enttäuscht darüber, dass die vereinbarte Vertraulichkeit aus der ersten Unterredung gebrochen worden sei. Hellmann hat sich bislang nicht öffentlich zu dieser Causa geäußert. Holzer sah sich indes, wie er befand, durch eine Medienanfrage dazu gedrängt.
Wie es nun weitergeht? Offen. Ob die avisierte Aussprache fruchten wird? Zweifelhaft. Wer bleibt, wer geht oder ob alles so bleibt, wie es ist? Schwer zu sagen. Schwierige Zeiten, alles in allem.
Momentan wirkt das Gebilde Eintracht Frankfurt wackelig, merkwürdig fragil. So ein bisschen erinnert es an das Frühjahr 2021, als auf einen Schlag die gesamte Sportliche Leitung ihren Abschied ankündigte und auf den letzten Metern die Champions League verspielt wurde. Auch damals zerlegte sich der Klub quasi selbst, demontierte sich von innen heraus. Ein Vakuum an wichtigen Stellen, ungeklärte Zukunftsfragen – all das führte zu einem Zustand der permanenten Aufgeregtheit oder Ohnmacht – je nach Sichtweise. Nun, zwei Jahre später, gibt es Anzeichen, dass sich Geschichte wiederholt. Die Eintracht bebt an vielen Ecken.
Das gilt auch für Trainer Oliver Glasner. Der Österreicher, der die bei der Eintracht keimende Unruhe den Medien in die Schuhe schiebt, selbst war es, der mit seiner grundsätzlichen Schelte nach der Niederlage bei Union Berlin seinen Abwehrspielern die Qualität auf höchstem Niveau abgesprochen und anschließend eine seltsame Pressekonferenz abgehalten hat. Beides aus dem Frusterlebnis einer vermeidbaren 0:2-Pleite heraus, trotzdem nicht zielführend. Zudem: Dissonanzen über die Zusammenstellung des Kaders und der externen Kommunikation in puncto Saisonziel sowie einzelner Personalien zwischen ihm und Sportvorstand Markus Krösche sind keine Erfindung, sondern verbrieft. Grundsätzlich arbeiten beide nicht schlecht zusammen, sie schätzen sich, doch die Konflikte sind hinterlegt.
Und: Glasner hat ein Angebot zur Verlängerung seines Anstellungsvertrags über das Jahr 2024 hinaus nicht angenommen, eine gut dotierte Offerte, die ihm deutlich mehr als 2,5 Millionen Euro einbringen kann. Glasner bittet um Bedenkzeit. Das ist legitim, öffnet aber Spekulationen Tür und Tor. Zumal durchgesickert ist, dass sich Tottenham Hotspur über Glasner erkundigt hat.
Glasner pokert
Im internen Eintracht-Zirkel glaubt der eine oder andere sehr wohl, dass Glasner seinen Abgang vorbereitet. Andere sind der Meinung, der Riedauer pokert, spielt auf Zeit, um die Entwicklung auf dem Markt und bei seinem aktuellen Arbeitgeber zu beobachten. Glasner, das ist nachvollziehbar, möchte eine Mannschaft anleiten, mit der er die Chance hat, um die internationalen Plätze mitzuspielen und sie nicht neu aufzubauen. Die potenziellen Neuzugänge (Omar Marmoush aus Wolfsburg, William Pacho aus Antwerpen, Houssem Aouar aus Lyon) und Kandidaten (Konstantinos Mavropanos aus Stuttgart, Christoph Baumgartner und Dennis Geiger aus Hoffenheim) gefallen dem Coach jedenfalls. Manager Krösche ist aktuell noch ziemlich entspannt, lässt sich nicht treiben oder unter Druck setzen. Aber er ist gut beraten, in absehbarer Zeit eine bindende Entscheidung seines Coaches einzufordern – zumindest für die neue Saison.
Die Eintracht kennt sich mit fahnenflüchtigen Trainern aus, die Glasner-Vorgänger Niko Kovac und Adi Hütter verließen den Verein mit einigen Nebengeräuschen und hinterließen zerbrochenes Porzellan. Kovac versöhnte die Menschen zumindest mit dem Pokalsieg in seinem letzten Spiel als Eintracht-Trainer. Es gilt freilich: Hängepartien und Verantwortliche auf dem Sprung sind dem Erfolg meist nicht zuträglich.
Oliver Glasner ist nicht vorzuwerfen, dass er nicht mit jeder Faser den Verein lebt. Natürlich strebt er mit der Mannschaft das Maximale an, das treibt ihn an. Doch er strahlt nicht mehr die Ruhe aus, reagiert schon mal emotional, weil er den Hebel nicht gefunden hat, um die Maschinerie wieder ins Laufen zu bringen. Das nervt den Trainer immens. Vielleicht aber wäre es mal an der Zeit, etwas Neues zu probieren und Strukturen aufzubrechen. Und die Spieler an die Grundtugenden zu erinnern, die das Team so einzigartig und stark gemacht haben: Das Unbedingte ist zuletzt auf der Strecke geblieben. Die letzte Entschlossenheit und Gier fehlt. Auch die Geschlossenheit.
Nicht nur auf dem Feld, auch auf der Führungsebene. Ruhe und Kontinuität an der Spitze waren ein Erfolgsfaktor der vergangenen Jahre, die innere Stabilität war der Grund dafür, dass der Verein viele Häutungen durchgemacht und viele Umbrüche überstanden hat. Nun aber wackelt das gesamte Konstrukt, das Fundament bröckelt. Der Machtkampf in der Führungsetage belastet den Verein und sorgt für Unruhe. Die Dissonanzen sollten im Sinne des großen Ganzen nachhaltig ausgeräumt oder durch personelle Konsequenzen beendet werden. Dieser Schwebezustand gefährdet die großen Ziele des Gesamtvereins mit der Bundesligamannschaft an der Spitze.