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Eintracht Frankfurt: Keine Lust mehr auf Achterbahn

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Von: Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

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Wieder der alte Hase: Abwehrchef Makoto Hasebe (rechts) zeigt sich gegen Piräus stark formverbessert.
Wieder der alte Hase: Abwehrchef Makoto Hasebe (rechts) zeigt sich gegen Piräus stark formverbessert. © dpa

Eintracht Frankfurt will nach dem überzeugenden Auftritt in der Europa League nun beim VfL Bochum nachlegen – das wird schwer genug.

Pedro Martins, 51, war ein kleines bisschen blass um die Nase. Abgespannt sah er aus, kurz vor Mitternacht, der Erfolgscoach des griechischen Serienmeisters Olympiakos Piräus,  den der Portugiese seit seinem Amtsantritt 2018 aus den Tiefen der Krise befreit, zweimal zum Titel und einmal zum Double geführt hat – mit einem sensationellen Punkteschnitt von 2,2 in 177 Spielen. Nach der verdienten 1:3-Niederlage in der Europa League in Frankfurt, der ersten Schlappe in der regulären Saison, musste er also Fragen beantworten, weshalb sein Team so müde wirkte und gar nicht dominant auftrat und sich so weit hinten reindrücken ließ. Das sei doch gar nicht der Olympiakos-Style. Nein, nein, wiegelte Martins ab, das sei alles nicht der Plan gewesen, „doch der Gegner hat uns dazu gezwungen, tiefer zu stehen“, die Eintracht habe all ihre Stärken aufs Feld gebracht und „wir konnten sie nicht eliminieren, wir waren enormem Druck ausgesetzt“.

Das klang ehrlich und authentisch, nicht so, als wolle da einer den Kontrahenten überhöhen, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Martins Einschätzung traf des Pudels Kern, in dieser Verfassung hatte Piräus den wie entfesselt aufspielenden Hessen nichts entgegenzusetzen, sie schwangen sich zu ihrer besten Saisonleistung auf. „Wie wir gespielt haben, das ist Eintracht Frankfurt“, sagte Torwart Kevin Trapp im Überschwang. „Davor kann man nur den Hut ziehen.“

Eintracht Frankfurt: Überfällig Korrekturen

Und in Frankfurt rätseln sie, ob das die gleiche Mannschaft war, die nur fünf Tage zuvor gegen Hertha Berlin einen blutleeren Auftritt voller Einfältigkeit hinlegte, der das Publikum zum Schweigen brachte. Natürlich stand am Donnerstagabend ein anderes Team auf dem Platz, personell auf fünf Positionen verändert, gerade die Neubesetzung der Offensivreihe war der entscheidende Faktor. Rafael Borré, Goncalo Paciencia und Daichi Kamada hoben das Spiel auf ein anderes Level. „Wir haben die richtigen Lehren aus dem Hertha-Spiel gezogen“, urteilte Coach Oliver Glasner. Die lagen freilich auch auf der Hand, und die Korrekturen waren überfällig.

Aber auch von der Einstellung her stand eine andere Einheit auf dem Platz. Die Frankfurter jagten den Gegner, setzten nach, gewannen viele zweiten Bälle. „Wir hatten coole Ballgewinne“, analysierte Glasner. Gerade über die Außen ließ die Eintracht nichts anbrennen, Filip Kostic und Almamy Touré arbeiteten tadellos nach hinten. „Wir waren da sehr diszipliniert“, befand der Trainer. „Wir haben alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.“

Eintracht Frankfurt: Gesprächstherapie wirkt

Nach der Schlappe gegen Hertha hat der in seiner Ansprache sehr moderate Glasner die Zügel angezogen und verbal ein paar Zeichen gesetzt. „Am Sonntag ist der Trainer ein bisschen lauter geworden“, berichtet Kapitän Sebastian Rode nach seinem Comeback. Das bestätigt der Coach. „Wir haben deutlich angesprochen, was uns nicht gefallen hat.“ Was ja so ziemlich alles gewesen sein dürfte.

Glasner wählte einen Vergleich aus dem Familienleben, schließlich müsse man ja auch manchmal mit den Kindern schimpfen, „aber sie am nächsten Tag wieder in den Arm nehmen“. Der 47-Jährige schickte seine Jungs nach der intensiven, „kritischen Analyse“ samt Standpauke zum Laufen in den Wald. „Da sollten sie mal drüber quatschen.“ Die sportive Gesprächstherapie zeigte Wirkung.

Eintracht Frankfurt: Gruppensieg als Ziel

Gegen Olympiakos, das im Hinblick auf das Prestigeduell gegen Paok Saloniki einige Stammspieler schonte, passte vieles zusammen, der Funke sprang über auf das dankbare und bisher alles andere als verwöhnte Publikum auf den Tribünen, weshalb sich so ein typischer Frankfurter Europapokalabend entwickelte. Als sich das Team nach dem Erfolg auf die Ehrenrunde begab, konnte sich Glasner einer Gänsehaut nicht erwehren. Er habe seinen Spieler schon vor der Partie gesagt: „Das sind solche Spiele, da saßen wir als kleine Jungs mit großen Augen vor dem Fernseher – und jetzt sind wir selbst dabei.“

Die Eintracht führt nun das Klassement der Gruppe D an und hat alle Trümpfe in der Hand, im neuen Jahr international am Start zu sein. Kevin Trapp gibt die Richtung vor. „Warum“, fragt der Torwart also, „sollten wir nicht vom Gruppensieg reden?“

Dieser hätte den Vorteil, dass die Eintracht dann automatisch fürs Achtelfinale qualifiziert wäre. Der Zweite muss noch eine Zwischenrunde im Sechzehntelfinale absolvieren, der Dritte macht in der Conference League weiter. Mit nur einem weiteren Sieg wäre die Eintracht von einem der ersten beiden Plätzen schwer zu verdrängen.

Eintracht Frankfurt: Piräus-Leistung als Maßstab

Für die Frankfurter geht es nun darum, Konstanz in ihre Leistungen zu bekommen, die Ausschläge zu minimieren, die Aufgaben seriös anzugehen. „Gegen Hertha hatten wir ein kleines Tief“, sagt Almamy Touré. „Aber das darf man sich nicht erlauben, man darf kein Spiel auf die leichten Schulter nehmen.“ Das ständige Auf und Ab, diese Achterbahnfahrt, irritiert und nervt die Verantwortlichen. „Wir wollen jetzt den Schwung und das Selbstvertrauen mitnehmen, aber nicht in totale Euphorie verfallen“, bedeutet Glasner. Dazu besteht auch kein Grund.

Am Sonntag (19.30 Uhr/Dazn) wartet ein undankbarer Kontrahent auf seine Mannschaft, dann geht es zum VfL Bochum. So einen Aufsteiger kann man, gerade nach einem Highlight, durchaus mal unterschätzen und dann, ohne die nötige Einstellung, Schiffbruch erleiden. „Da erwartet uns ein heißer Kampf“, orakelt Sebastian Rode und ist nicht bereit, die Messlatte nach unten zu legen. Der Piräus-Auftritt, findet der Kapitän, „muss der Maßstab für die kommenden Spiele sein.“

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