Brüder im Geiste

Eintracht Frankfurt und RB Leipzig verfolgen einen ähnlichen Spielstil, was für ein höchst intensives Duell spricht.
Sehr wahrscheinlich wird Adi Hütter heute während der obligaten Pressekonferenz erneut gefragt werden, ob er denn seine gesammelte Offensivpower wieder gemeinsam loslassen wird, und mit Sicherheit wird der Eintracht-Coach diese Frage ins Leere laufen lassen. Es gab schon Zeiten, da wirkte er gar zunehmend genervt von den stetigen Einlassungen der Reporter zum Triumvirat im Sturm. „Ich weiß nicht, weshalb ich immer jedem erklären muss, warum ich wie aufstelle“, sagte er. „Ich werde darauf nicht mehr oft antworten.“
So oder so: Adi Hütter wird entscheiden müssen, ob er sich auch morgen in Leipzig traut, Luka Jovic, Sebastien Haller und Ante Rebic zusammen stürmen zu lassen, schließlich sind die Roten Bullen momentan kraftstrotzend unterwegs, haben zuletzt 4:0 in Düsseldorf und 3:0 in Hannover gewonnen, am Mittwoch im DFB-Pokal den VfL Wolfsburg, immerhin Sechster in der Liga, nach Belieben dominiert.
Mijat Gacinovic klagt nie
Adi Hütter aber ist gewiss kein Sicherheitskommissar, der sich vor lauter Angst in der eigenen Hälfte verschanzt. Nein, in acht der vergangenen elf Partien ließ er seinen furiosen Sturm im Dreierpack von der Leine – es stehen vier Siege, zwei Niederlagen und zwei Remis zu Buche.
Diese mutige Ausrichtung fordert Opfer, Mijat Gacinovic ist so eines, der Serbe, der heute seinen 24. Geburtstag begehen wird, durfte immer nur dann von Beginn an spielen, wenn Hütter den Dreierangriff sprengte, also beim hochwertigen 2:1 gegen Leverkusen, dem drögen 2:2 in Mainz und der klaren Niederlage gegen die Bayern (0:3). Gacinovic, unter Ex-Coach Niko Kovac ein Dauerbrenner, ist ein Profi, der das klaglos hinnimmt. Wenn er reinkommt, gibt er alles. Dass er sich im Übereifer durchaus mal verzettelt, ist bekannt. Wichtig ist er mit seiner Stärke im Pressing und seiner Laufbereitschaft dennoch.
Damit dürfte er eine Option für die verdammt schwere Aufgabe in Leipzig sein. Denn für die Eintracht wird es auch darauf ankommen, dagegenzuhalten und die schnellen Spieler des Champions-League-Aspiranten in Schach zu halten. Es könnte ein interessantes und vor allem höchst intensives Spiel werden, alldieweil beide Teams den gleichen Ansatz verfolgen, das Mantra lautet: Druck auf den Gegner, Überzahl in Ballnähe, Kugel gewinnen, blitzschnell umschalten.
Der Leipziger Trainer Ralf Rangnick hat dafür den Begriff „Mehrkampfstärke“ erfunden, „es geht um Schwarmverhalten mit vielen Sprints“. Darauf legt auch Hütter größten Wert, die Eintracht führt die Statistik der Spurts und intensiven Läufen an. Da stehen sich zwei Brüder im Geiste gegenüber. Rangnick, der Trainer wie Thomas Tuchel, Roger Schmidt oder auch Alexander Zorniger geprägt hat, war es, der einst Adi Hütter nach Salzburg lockte. Das war kein Zufall. Der Österreicher beeindruckte Rangnick, weil dieser bei den kleinen Klubs in Österreich, Altach und Grödig, so spielen ließ, wie er es mag, nämlich brachial und überfallartig. Die Verbindung in Salzburg war erfolgreich, Hütter holte 2014/15 das Double, verabschiedete sich aber dann Richtung Bern, weil er sich mit der Philosophie des Klubs nicht identifizieren wollte, der seine Topspieler zumeist an den großen Bruder nach Leipzig abgab. Genau deshalb kennt Hütter den morgigen Gegner nur zu gut, in Peter Gulacsi, Kevin Kampl, Marcel Sabitzer, Stefan Ilsanker und Konrad Laimer stehen fünf Akteure im Aufgebot, die damals unter ihm in Salzburg spielten. Ein Vorteil?
Für die Eintracht ist die Aufgabe in Sachsen eine knifflige, die Partie eine ziemlich wichtige. Bei einem Sieg würden die Frankfurter (32 Zähler) bis auf zwei Punkte an RB auf Platz vier heranrücken und hätten Tuchfühlung zu den Champions-League-Rängen hergestellt. Bei einer Niederlage wäre eine – ohnehin unwahrscheinliche – Qualifikation für die Königsklasse quasi vom Tisch.
Transfers als Fingerzeige
Oft werden fünf Punkte Rückstand auch nicht aufgeholt. Wie der „Kicker“ errechnete, hatten die Vierten nach 20 Spieltagen bereits fünfmal einen Vorsprung von mindestens fünf Punkten auf die Verfolger, nur zweimal purzelte einer zum Schluss noch aus den Königsklassenrängen, einmal davon die Eintracht, die 2012/13 einen Sieben-Punkte-Vorsprung auf Schalke nicht ins Ziel brachte und am Ende mit größter Mühe Sechster wurde. Zittrige Knie haben die Leipziger auch jetzt nicht. „Es ist derzeit schwer, an uns vorbeizukommen“, sagt Rangnick.
Für die Eintracht wäre ja auch eine abermalige Qualifikation für die Europa League ein großer Erfolg, doch von hinten schieben die Teams, Leverkusen und die leicht kriselnden Hoffenheimer sind in Lauerstellung, selbst Mainz 05 hat als Elfter nur fünf Punkte Rückstand. Das wird also kein Selbstläufer.
Mit ihrer winterlichen Transferpolitik hat die Eintracht ihre Ambitionen jedenfalls untermauert, in Sebastian Rode und Martin Hinteregger zwei Spieler der Kategorie Soforthilfe verpflichtet, auch Almamy Touré soll noch in dieser Saison eingebunden werden. Da hat es mittlerweile auch ein vorheriger Stammspieler wie Jonathan de Guzman schwer, ins Team zu kommen. Für Jetro Willems, Marc Stendera, Simon Falette und Marco Russ gilt das erst recht, selbst der immer wieder mal unpässliche Kapitän David Abraham kann sich seines Platzes nicht mehr wirklich sicher sein. Einer wie Mijat Gacinovic ist zumindest in guter Gesellschaft.