Ein Geschenk für Tuta

Der traurig-schöne Triumph von Barcelona hat den Brasilianer Tuta emotional auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Und die Reise soll noch weiter gehen.
Frankfurt – Er hat natürlich mitgefeiert beim größten Triumph der jüngeren Vereinsgeschichte, der Lucas Silva Melo, genannt Tuta, auch wenn es ein bisschen weh getan hat. Oder „unschön“ war, wie er jetzt bei einem Gespräch mit Medienvertretern übersetzen ließ. „Unschön“ darf als eine große Untertreibung gelten, nur dabei statt mittendrin, als Eintracht Frankfurt sich zu einer Gala im Camp Nou vor 30.000 mitgereisten frenetischen Fans aufgeschwungen hatte - das ist hart. Und man mit Sicherheit dabei gewesen wäre, auf dem Rasen, im Duell gegen Ferran Torres oder Jordi Alba oder Ousmane Dembelé oder wie die Weltstars von Barca alle heißen..
Aber Tuta war nicht mittendrin, er musste zusehen, er war nach einer gelb-roten Karte aus dem Hinspiel gesperrt. Einmal einen Tick zu spät gekommen und schon war er geplatzt, der Traum von Camp Nou. Künstlerpech, aber nicht zu ändern. Die Enttäuschung war dennoch mit Händen zu greifen, zumal es sich ja auch bis nach Brasilien herumgesprochen hatte, was für ein Coup Eintracht Frankfurt gelungen war. Aber „ich wusste, dass das nicht das letzte Spiel sein würde und dass das Beste noch kommen wird“. Und die Kollegen, so sagt er jetzt, hätten ihm ja ein „persönliches Geschenk“ gemacht mit den zwei zusätzlichen Europa League-Begegnungen gegen West Ham United.
Tuta: „Jeder vertraut jedem“
Und gerade dort, in London im Olympiastadion, wird es wieder auf den 22 Jahre alten Stopper aus São Paulo ankommen. Er spielt schon lange eine tragende Rolle im Abwehr-Konzept von Trainer Oliver Glasner, er ist längst gesetzt. Und gegen West Ham wird er auf seiner angestammten Seite verteidigen, selbst wenn Glasner wegen der Sperre des linken Verteidigers Evan Ndicka die Hintermannschaft neu sortieren muss.
Zwischenzeitlich war auch angedacht worden, Tuta möglicherweise die Position im Abwehrzentrum anzuvertrauen und Almamy Touré rechts und Martin Hinteregger links abwehren zu lassen. Doch davon ist der Trainer abgekommen, am Dienstag beim Training „habe ich auf meiner rechten Seite trainiert“, sagt Tuta. Wer den Franzosen Ndicka ersetzen wird, konnte Tuta nicht verraten, aus seiner Sicht ist es auch einerlei. „Jeder im Team vertraut jedem“, sagt er. Wahrscheinlich wird es Touré sein, der dafür die Seite wechseln müsste.
Vorfreude auf West Ham wächst stündlich
Die Reise durch Europa soll mit den beiden Spielen gegen die Engländer selbstverständlich nicht zu Ende sein. Tuta spürt wieder „die positive Energie“, diesen ganz besonderen Geist, den die Mannschaft beseelt, wenn international das Flutlicht angeknipst wird. „Das ist in unseren Poren drein“, hat er schon gespürt. „Die Vorfreude wächst stündlich.“
West Ham werde ein härterer Brocken als der FC Barcelona, er erwartet einen „intensivsten Abnutzungskampf“ gegen ein Team, das seine Stärken in der Kompaktheit und im Konterspiel hat. „Da sollte jeder von uns schon seine Zweikämpfe gewinnen“, findet der Brasilianer, insbesondere die Defensivspieler stünden angesichts „vieler Flankenläufe“ der Engländer vor riesigen Herausforderungen.
Tuta nimmt rasante Entwicklung
Tuta selbst hat eine rasante Entwicklung bei Eintracht Frankfurt genommen. Nach dem einen Jahr der Lehre beim belgischen Erstligisten KV Kortrijk, wo er an Muskeln und Reife zugelegt hatte, kam er bei den Hessen bislang auf 52 Pflichtspiele, in dieser Saison hat Tuta 23 Bundesligaspiele bestritten und dabei erstaunliche drei Treffer erzielt, acht Spiele in der Europa League kommen noch hinzu. Er hat sich bei Eintracht Frankfurt zu einer unverzichtbaren Größe aufgeschwungen, spielt inzwischen körperbetont, richtig abgezockt und fast wie ein Alter.
Der 22-Jährige, von Kadermanager Ben Manga einst in São Paulo bei einem Jugendturnier entdeckt, ist Leistungsträger und hat die Lücke, die der Abgang von Kapitän David Abraham gerissen hat, prima gefüllt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in dieser Saison ist er seit dem Bayern-Coup Stammspieler. „Seitdem passiert vieles auf natürliche Art und Weise, das Selbstvertrauen wächst, man wird stärker, hat mehr Zutrauen“, sagte er unlängst im FR-Interview. „Auf einmal greift ein Rädchen ins andere. Trotzdem will ich mich immer weiter entwickeln. Man muss sich, wenn man so will, immer wieder neu erfinden.“
Die Eintracht möchte den bodenständigen Familienmensch länger an sich binden, die Vertragsgespräche laufen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der Klub die Bezüge Tutas merklich anheben müssen, der Spieler kam schließlich vor drei Jahren quasi als Auszubildender an den Main.
Und wenn es nach Sevilla geht, werden noch ganz andere Begehrlichkeiten geweckt. (Thomas Kilchenstein)