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Eintracht Frankfurt: Die Sehnsucht nach dem ersten Heimsieg

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Von: Thomas Kilchenstein

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Auf Zehenspitzen ins Team? Goncalo Paciencia (rechts) könnte eine Chance bekommen, Filip Kostic ist ohnehin gesetzt.
Auf Zehenspitzen ins Team? Goncalo Paciencia (rechts) könnte eine Chance bekommen, Filip Kostic ist ohnehin gesetzt. © imago images/Jan Huebner

Eintracht Frankfurt will die Chance gegen Hertha BSC nutzen, endlich Anschluss ans Tabellenmittelfeld zu bekommen.

Frankfurt - Der Frankfurter Trainer Oliver Glasner hat im Vorfeld der heutigen Partie gegen Hertha BSC (15.30 Uhr) auf eine kleine Spitze gegen die professionellen Beobachter nicht verzichten mögen. Gefragt nach der erneut phänomenalen Quote von Filip Kostic, der an sechs von zehn Pflichtspieltreffern direkt beteiligt war, entweder als Torschütze oder als Vorbereiter, mimte der Coach den Verblüfften. Er sei „überrascht“ von dieser Statistik, habe er doch lernen müssen, dass Filip Kostic eigentlich auf der falschen Position agiere, auf einer Position zentral im Mittelfeld, auf die er ihn nach der Umstellung auf eine Viererabwehrkette gerückt hatte. Viele halten den Nationalspieler am linken Flügel mit Platz nach vorne für wertvoller.

SGE gegen Hertha: Kein „Wünsch dir was“

Glasner hat das natürlich ironisch gemeint, dass das 29 Jahre alte Kraftpaket wieder derart überragend performe, hat Glasner nun tatsächlich überhaupt nicht überrascht. Er hat nichts anderes erwartet, weil er den Serben kennt, weil er ihn schätzt und respektiert und weil die leidige Geschichte um den - offensichtlich von seinem Berater angeregten - Streik längst zu den Akten gelegt wurde. Schon im persönlichen Gespräch mit dem Linksaußen hatte der Fußballlehrer gespürt, wie unwohl sich Kostic, alles andere als ein eiskalter, abgezockter Legionär, sondern eher geerdet, dabei gefühlt hat. Und nach einer Entschuldigung im Kreis der Mannschaft war der Fall abgeschlossen, „das hat keine 40 Sekunden gedauert“, sagte Glasner.

Mehr noch: Erst seit dem Streik dreht Kostic richtig auf, erst danach wurde er wieder so torgefährlich wie in der Vorsaison, als er 17 Mal auflegte und selbst viermal traf. In den ersten Begegnungen war er fast blass geblieben. Es hat fast den Eindruck, als wolle der Familienvater mit besonders guten, engagierten Leistungen den kleinen Makel auf seiner Visitenkarte tilgen.

Ohne Kostic ist Eintracht Frankfurt nur die Hälfte wert

Ohne Kostic, aber das ist bekannt, ist Eintracht Frankfurt nur noch die Hälfte wert. Einerseits kann der Klub, kann sich Trainer Glasner glücklich schätzen, über solch einen Qualitätsspieler, der den Unterschied macht, zu verfügen, andererseits könnte die Abhängigkeit des Teams von Kostic gefährlich werden - dann nämlich, wenn er aus dem Spiel genommen oder verletzt ist. Oder verkauft würde. Selbst Hertha war ja über seinen neuen Geschäftsführer Fredi Bobic auf den Gedanken gekommen, den Eintracht-Profi an die Spree zu locken. Bobic soll Kostic in geheimen Absprachen eine Wechseltür gezeigt und offen gehalten haben.

Es ist jetzt ein gutes Jahr her, dass sich Kostic das Innenband im Knie riss und knapp sechs Wochen ausfiel. Es war - man ahnt es - im Spiel bei Hertha BSC, Ende September, als Kostic nach einem harten Zweikampf an der Grundlinie nicht mehr weiterspielen konnte. Die Hessen gewannen die Partie dennoch, mit 3:1, sogar Sebastian Rode hatte getroffen. Rode ist nach seiner Knie-Operation zwar wieder im Training, doch für einen Platz im opulent gefüllten Kader ist noch kein Platz.

gegen Hertha stehen SGE-Trainer Glasner 21 Spieler zur Verfügung

Ohnehin sind die Plätze in der Startformation inzwischen hart umkämpft. 21 gesunde Feldspieler stehen Glasner zur Verfügung, „drei muss ich rausnehmen“ und auf die Tribüne setzen. Sogar die, die in München den Überraschungscoup gelandet haben, dürfen sich nicht sicher sein. Stefan Isanker, Tuta, Almamy Touré müssen bangen. Makoto Hasebe, Evan Ndicka, Erik Durm drängen ins Team zurück. Es wird Härtefälle geben. Am Donnerstag wusste der Coach jedenfalls noch nicht, mit welcher Taktik er den Berlinern begegnen will. Personelle Optionen hat der 47-Jährige also genug. Was angesichts von Englischen Wochen und sechs Partien in 23 Tagen wichtig ist.

Es ist gut, dass Alternativen vorhanden sind. Im Team steckt Potenzial, das bestätigen alle, punktuell lässt es dieses Potenzial auch aufblitzen. In jedem Spiel gab es bislang drei, vier wirklich gelungene, technisch hochwertige Kombinationen über viele Stationen, etwa bei den Toren, die in der Regel schön herausgespielt wurden. Sie haben es also drauf.

Für Eintracht Frankfurt steht der erste Heimsieg noch aus

Und doch wird der Trainer nicht müde, auch das „Verbesserungspotenzial“ anzumahnen. Luft sei nach oben eine Menge, was nicht so schlecht ist für den Coach, „sonst wüsste ich nicht, was ich noch tun sollte“. Frappierend sind oft die vielen leichten Ballverluste, die erstaunlich hohe Zahl an Fehlpässen, die wiederum den dadurch erforderlichen läuferischen Aufwand nach oben schrauben. Denn die Kugel muss ja weder zurückerobert werden, was zusätzlich an Kräften zerrt.

Diese Fehler auszumerzen fällt schwer, weil Glasner entweder nicht alle Spieler zusammen hat oder Englische Wochen anstehen. „Trainings-Input“ sei kaum möglich, „weil wir ja kaum trainieren“, zumindest nicht mit der ganzen Mannschaft. Stattdessen sei man „ständig am Improvisieren“. Das ist nicht das, was sich ein Trainer wünscht, Glasner steht damit nicht allein, vielen Trainern geht es so. Man versuche, das Beste daraus zu machen. Aber so habe er sich das nicht vorgestellt: „Wenn ich mir ‚Wünsch dir was‘ aufschreibe, sieht das ganz anders aus.“ Trotz derlei Übungsdefiziten machen „wir das schon ganz ordentlich“. Wie gut, soll Hertha zu spüren bekommen. Der erste Heimsieg steht noch aus. (Thomas Kilchenstein)

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