Eintracht-Boss Hellmann rügt Trainer Glasner

Der Eintracht-Vorstandssprecher weist den Fußballlehrer nach dessen Wutrede in die Schranken: „Das Gesamtbild passt nicht zu uns“.
Am Morgen nach der gewaltigen Eruption des Fußballtrainers Oliver Glasner meldete sich der Boss zu Wort. Axel Hellmann, der strategische Kopf der Eintracht, hat ein gutes Gespür dafür, wann es an der Zeit ist, einzugreifen und ein paar Dinge zu begradigen, die schieflaufen. Und aktuell hat er das untrügliche Gefühl, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist bei seinem Verein. „In der Zusammenfügung von Zielen und Gesamtbild muss man festhalten: Das passt nicht zu Eintracht Frankfurt. Und es passt nicht zusammen, was wir im Moment abliefern – auf dem Platz und außerhalb“, sagte der Vorstandssprecher am frühen Sonntagmorgen der FR. Auch bei „Bild“-TV trat der 51-Jährige mit ähnlichen Worten auf.
Ganz klar: Boss Hellmann erhöht den Druck. Auf die Sportliche Leitung, Trainer Oliver Glasner und auch die Mannschaft. Nach dem desolaten Auftritt des Teams am Samstag beim 1:3 (0:3) in Hoffenheim wartet die Eintracht seit sage und schreibe zehn Spielen auf einen Sieg, die internationalen Startplätze, das erklärte Ziel, ist in weite Ferne gerückt. „Wir liegen weit hinter den Erwartungen zurück“, moniert der Vorstand. „Das kann man auch nicht mit dem Pokalfinale kaschieren. Wir können nicht akzeptieren, dass wir die Saison austrudeln lassen.“
Hellmann ist mit der gesamten Situation in höchstem Maße unzufrieden. Auch mit den Auftritten von Glasner, der auf der Pressekonferenz nach der Niederlage in Sinsheim die Contenance verlor und zum wiederholten Male eine unglückliche Figur abgab. Auf eine an sich harmlose Frage eines altgedienten Reporters, ob die Mannschaft angesichts der Niederlagen der vorplatzierten Klubs Leverkusen und Mainz „nicht realisiert“ hätte, welch große Chance auf einen Europapokalplatz sie leichterhand verspielt hätte, tickte Glasner förmlich aus. Er erhob die Stimme, redete sich in Rage und fuhr den Reporter mit hochrotem Kopf an, er solle aufhören „mit diesem Müll, ich weiß, was die Jungs leisten“.
Er könne es nicht mehr hören, wenn Mentalität oder Charakter des Teams infrage gestellt würden. Die Mannschaft habe 43 Pflichtspiele in den Knochen, sie stünde im zweiten Endspiel binnen zwei Jahren. „Sie gehen für die Eintracht durchs Feuer.“ Er nannte Makoto Hasebe als leuchtendes Beispiel, der als 39-Jähriger drei Spiele in einer Woche bestritten hat, obwohl „er Blut im Urin“ habe vor Erschöpfung. Am Samstagabend entschuldigte sich der Trainer in aller Form bei dem Journalisten für seinen Ausbruch.
Hellmann sieht den unbeherrschten Auftritt des Trainers kritisch: „Dass man mal die Nerven verliert, kann ich verstehen. Aber ich kann nicht verstehen, dass man seine Enttäuschung an einem Journalisten auslässt, der seine Arbeit macht.“ Dieser Wutausbruch sei „weder gut noch richtig“. Auch die Einlassung zu Hasebe sei deplatziert. „Das gehört nicht in die Öffentlichkeit.“
Zudem: Die Rote Karte, die sich der Trainer in der ersten Halbzeit eingehandelt hatte, weil er nach einer vermeintlichen Fehlentscheidung in vollem Bewusstsein einen zweiten Ball aufs Spielfeld gekickt und diese völlig unsinnige Aktion später als „stillen Protest gegen die Leistung des Schiedsrichters“ deklariert hatte, kam beim Eintracht-Boss nicht gut an. „Das ist keine Form des stillen Protests. Damit muss man anders umgehen. Diese Aktion zeigt die Dünnhäutigkeit“, rügt Hellmann und führt aus: „Das ist nicht das, was wir uns vorstellen, das ist nicht souverän. Wir haben über Dinge zu sprechen, auch über Dünnhäutigkeit.“ Glasner ist somit für ein Spiel gesperrt. Mindestens.
Für Hellmann passt aber Glasners Verhalten ins aktuelle Bild. Der 51-Jährige stört sich nämlich auch an dem permanenten Mosern der Spieler mit dem Schiedsrichter. „Wie die Mannschaft diese Meckerei auslebt, ist eine Führungsfrage. Und das war nicht nur im Hoffenheim-Spiel so, das geht seit Wochen schon.“ Disziplinlosigkeit und Unkonzentriertheit zögen sich wie ein roter Faden durch die letzten Spiele. „Ich vermisse die Fokussierung. Wir beschäftigen uns mehr mit uns selbst als mit der Aufgabe, die wir haben.“ Hellmann hat eine klare Forderung: „Ich erwarte eine klare Führung, auf dem Platz, aber auch außerhalb.“
Er hat große Bedenken, dass es der Brandherde zu viel sind für den Klub. „Im Ergebnis besteht die große Gefahr, die Saisonziele zu verfehlen.“ Das Abrutschen im Brot- und Buttergeschäft stört Hellmann gewaltig. „Wir können nicht sagen, wir spielen in der Bundesliga so ein bisschen mit. Das geht nicht.“ Genau deshalb ist es intern kritisch gesehen worden, dass Oliver Glasner nach einem einzigen Sieg, dem im Halbfinale in Stuttgart, zum doppelten Diver vor der Fankurve ansetzte. Da schüttelten einige nur den Kopf.
Der Trainer, das ist kein Geheimnis, sieht den Kader nicht breit genug aufgestellt, gerade in der Abwehr. Doch das lässt Hellmann nicht gelten. „Wir brauchen keine Diskussion über die Kaderstärke führen“, sagt er und verweist darauf, dass die Eintracht selbst gegen Abstiegskandidaten oder Mittelständler nicht habe gewinnen können. „Wir haben die Europa League gewonnen und sind ins Achtelfinale der Champions League gekommen. Solch eine Mannschaft hat kein Kaderproblem und kein Qualitätsproblem.“
Aber wie geht es nun weiter? Es scheint kaum vorstellbar, dass der Trainer die Mannschaft in der neuen Saison anleitet, selbst eine vorzeitige Trennung ist nicht ausgeschlossen (siehe Kommentar auf Seite S2). In diesen Tagen wird es zu einem Krisengespräch zwischen Glasner und Sportvorstand Markus Krösche kommen. „Vieles hängt davon ab, wie sich Glasner positioniert. Wir haben ihm ein Vertragsangebot gemacht vor einiger Zeit – darauf ist er nicht eingegangen. Es ist eine Debatte, die wir als Klub nicht begonnen haben“, bedeutet Hellmann. Die Eintracht-Offerte an Glasner ist mittlerweile ausgelaufen, besteht also nicht mehr. Vielsagend fügt Hellmann an, man müsse sich sehr wohl „mit der Frage beschäftigen, ob wir in einer Form sind, die zukunftsweisend ist“. Klingt alles nicht gut für Coach Glasner. Und dass er selbst weitermachen will, darf inzwischen auch bezweifelt werden.