Djibril Sow – Das Metronom im Mittelfeld

FR-Serie, Teil Zwölf: Der Eintracht-Antreiber hat endlich seine Scheu verloren – und traut sich was.
Frankfurt – Wer weiß schon, für was er gut war, dieser vermaledeite, verunglückte Kopfball zum Beispiel. Direkt in den Lauf von Joe Aribo, ein Wackler, Tuta saß verletzt auf dem Hosenboden, Bruchteile später rollte der Ball ins Tor - 0:1 nach einer knappen Stunde. Im Finale. In dem Finale. Vermutlich wäre Djibril Sow am liebsten in irgendeinem Erdloch verschwunden, so wie damals in Gladbach anno 2017, beim Elfmeterschießen im Pokal-Halbfinale, damals trug der blutjunge Sow noch das Shirt der Gladbacher. Sein Fehlschuss bescherte Eintracht Frankfurt den Final-Einzug.
Fünf Jahre später weckte dieses Malheure, wenn man so will, den Kampfeswillen der Hessen erst recht. So einfach gingen die Frankfurter gegen die Rangers nicht in die Knie, ein paar Minuten später schaffte Rafael Borré den Ausgleich. Sows Patzer war vergessen, der Rest Geschichte. Nicht auszudenken, wenn der Bolzen nicht repariert worden wäre, Djibril Sow, der Schweizer, wäre der Loser gewesen, und was für einer.
Djibril Sow von Eintracht Frankfurt – Marktwert gestiegen
Offenbar aber hatte der Rückstand ja auch ein Gutes. Die Eintracht investierte mehr, fokussierte sich, vor allem kam Makoto Hasebe ins Spiel, der so abgeklärte Routinier, der alles bald im Griff hatte und nicht nur Martin Hinteregger auf der Tribüne plötzlich ein gutes Gefühl der Sicherheit gab.
Der unglückliche Kopfball zurück verbaselte Sow ein wenig die Spiel-Bilanz. Der 25-Jährige, Vater einer Tochter, machte nämlich im Endspiel ein ordentliches Spiel, hatte, wie die FR im Klassenbuch notierte, „das Team in der Balance gehalten“, sei ein „guter Mittler zwischen Angriff und Defensive“ gewesen, agierte lange „souverän und sehr abgeklärt“.

Ohnehin gehörte diese, seine dritte Saison bei Eintracht Frankfurt, zu seiner besten. Endlich hatte er seine Scheu abgelegt, wirkte mutiger, traute sich mehr - statt ewiger Sicherheitspässe quer und zurück. Es waren sogar ein paar richtige Zuckerpässe dabei, Bälle, die er vertikal in die Spitze gespielt hatte und die das Spiel veränderten. Das hatte man dem Schweizer Nationalspieler (30 Länderspiele) gar nicht recht zugetraut, in dieser Saison ist er merklich aufgetaut. Das sieht man auch daran, dass er häufiger vor Kameras und Mikrofone tritt, er macht das nicht furchtbar gerne, ein Lautsprecher ist er nicht, wird er nicht werden, aber er macht seine Sache auch verbal nicht schlecht.
Und doch ist sein Spiel zuweilen zu unstet, es fehlt noch ein wenig Konstanz auf hohem Niveau. Und er sollte das Frankfurter Spiel mehr als bislang prägen. Denn er ist so etwas wie das Metronom im Frankfurter Mittelfeld, er ist der Mann, der das Tempo beschleunigt oder den Fuß auf den Ball stellt und Ruhe reinbringt. Auch das musste er lernen, und hat er gelernt. Spult nach wie vorher die meisten Kilometer aller Eintracht-Spieler ab, das ist seine Stärke, er bestritt nimmermüde 43 Pflichtspiele in dieser Saison - fehlte verletzungshalber allerdings bei einem der ganz großen Höhepunkte, dem historischen 3:2-Sieg beim FC Barcelona. Sow müsste häufiger den Abschluss suchen, zwei Tore in der Liga und ein einziges in der Europa League (bei Fenerbahce Istanbul) sind für einen Achter eigentlich zu wenig. Aber da kann der Spätzünder ja noch etwas draufsatteln künftig.
Der gebürtige Zürcher mit senegalischen Wurzeln ist einer der wenigen Eintracht-Kicker mit Erfahrung in der Champions League, damals für Bern unter Adi Hütter. Diese Erfahrung ist gefragt jetzt, wenn es im September mit der Eintracht in der Königsklasse ernst wird.
Seinen Marktwert hat auch er in den letzten Monaten steigern können, er kletterte von 17,5 Millionen Euro auf 22 Millionen. Sow ist älter geworden, auch reifer, und besser. (Thomas Kilchenstein)