Eintracht Frankfurt: Mannschaft macht Oliver Glasner sauer - Trainer kündigt harte Kritik an

Die Frankfurter Eintracht verliert nach denkbar trüber Leistung auch in Köln, setzt die Saison als graue Mittelfeldmaus fort und bringt ihren Trainer Oliver Glasner in Rage: „Vielleicht müssen wir es auch mal hart ansprechen“.
Frankfurt - Frust. Tiefer Frust. Allüberall, wohin das Auge blickte. Der nur ganz latent zum Überehrgeiz neigende Frankfurter Torwächter Kevin Trapp schrie seinen Ärger hinaus in den Kölner Abend und schlug mit seiner rechten Pranke aufs Gras, viermal gleich. Eintracht-Trainer Oliver Glasner schnappte sich den zum Sündenbock taugenden Daichi Kamada und hielt ihm noch auf dem Feld eine geharnischte Standpauke, ehe er seine komplette Mannschaft stante pede in der Kabine versammelte. Ab zum Rapport, Kopfwäsche für die Verlierer. 0:1 in Köln, Frust pur. Der nette Herr Glasner kann auch anders. „Wir waren nette Gäste“, flötete er sarkastisch.
Eine halbe Stunde später sollte ihn jemand fragen: „Es hat den Eindruck, als seien Sie das erste Mal so richtig sauer auf Ihre Mannschaft, oder täuscht das?“ Täuschte nicht. „Sie haben eine gute Menschenkenntnis“, entgegnete der 47-Jährige und präzisierte eher vage: „Die Jungs haben schon ein bisschen was gehört von mir, und sie werden von mir noch ein bisschen was hören.“
Eintracht Frankfurt verliert beim 1. FC Köln
Diese 0:1-Niederlage im Rheinland in einem Bundesligaspiel auf höchst überschaubarem Niveau hat Spuren hinterlassen bei Eintracht Frankfurt, sie stellt vielleicht so etwas wie eine Zäsur da. Zumindest im Umgang miteinander, denn offenkundig ist: Die Zeit der Samthandschuhe und des Kuschelkurses ist vorbei. Das kündigte ein aufgewühlter Trainer klar an. „Mit immer nur streicheln und sagen: ,Wird schon, wird schon, wird schon‘ ist es nicht getan. Dann ist Mitte Mai, und es ist nichts geworden.“ Und weiter: „Vielleicht müssen wir es auch mal hart ansprechen, uns die Dinge klar vor Augen führen und die Spieler in die Pflicht nehmen.“ Die Schonzeit ist vorüber. Glasner zieht die Zügel an. Vielleicht hat er sie auch zu lange zu locker schleifen lassen.
Denn die Eintracht-Bilanz im neuen Jahr ist niederschmetternd, fast schon desaströs. Aus sechs Partien hat sie nur vier Punkte geholt bei einem Torverhältnis von 6:11. Der Kontakt zu den Spitzenplätzen ist erst einmal abgerissen, ein Blick nach oben verbietet sich momentan.
Eintracht Frankfurt außer Form
Die Eintracht, die den Jahreswechsel noch auf Platz sechs beging, hat sich in sechs Begegnungen nach der Winterpause alles eingerissen, was sie sich mit einem furiosen Zwischenspurt im Spätherbst aufgebaut hatte: europäische Ambitionen. Die hat Sportvorstand Markus Krösche offensiv formuliert, was nicht schlimm ist, im Gegenteil. Man kann die Latte ruhig hochlegen und anspruchsvolle Ziele artikulieren, wenn man sie hat und spürt, dass sie zu erreichen sind. Man muss sich nicht verstecken. Aber die Wahrheit auf dem Fußballplatz ist zurzeit nun mal eine andere: In dieser Verfassung ist die Eintracht kein Kandidat für einen internationalen Startplatz, nein, in dieser Verfassung wird sie im Niemandsland versinken, die Saison als graue Mittelfeldmaus beenden. Bestenfalls. Dem will sich Sportchef Krösche freilich nicht fügen: „Wir blicken nicht nach unten. Wir blicken weiter nach vorne. Unser Ziel bleibt, bis zum Schluss oben dranbleiben.“ Optimistisch, der Manager. Aber woher nimmt er diese Zuversicht?
Irgendetwas scheint passiert zu sein mit dieser Mannschaft, die keine spielerische Linie mehr hat, keine Durchschlagskraft, keinen Esprit und keinen Offensivgeist; sie lässt sich auf Hauruckfußball ein, da ist viel Gestocher und Gehaspel im Spiel, gar keine Ruhe und Souveränität.
Das Team hat von seiner Wucht und Unzähmbarkeit eingebüßt. Die Zweikampfstatistik ist auf konstant miesem Niveau. „Wir haben zum wiederholten Mal nur eine Zweikampfbilanz von 40 Prozent, wir haben die schlechteste Quote der gesamten Liga“, moniert Glasner. „Wenn du diese Duelle nicht gewinnst, verliert du das Spiel. Und wir gewinnen die entscheidenden Zweikämpfe eben nicht.“ Weshalb Anthony Modeste die Frankfurter kurz vor Schluss mit seinem Siegtor auf die Bretter schickte (84.).
Vorausgegangen war eine unglückliche, „inkonsequente Zweikampfführung (Glasner) von Daichi Kamada. Der Japaner hatte ohnehin nicht seinen besten Tag, wurde erst ein- und dann wieder ausgewechselt. Die Höchststrafe. Dass Oliver Glasner dem Spielmacher überdies nach dem Abpfiff noch auf dem Feld die Leviten las, ist ungewöhnlich und allemal fragwürdig.
So oder so: Das Frankfurter Spiel ist aus den Fugen geraten, da ist keine Selbstverständlichkeit mehr drin, nichts, auf was sich das Ensemble zurückziehen könnte. Die Eintracht ist im Vergleich zu den letzten Auftritten im alten Jahr nicht mehr wiederzuerkennen, der Spielstil ist bis zur Unkenntlichkeit verschwommen, viele Akteure laufen ihrer Form nach, weshalb das gesamte Konstrukt wackelt. Vielleicht hat die Mannschaft damals auch am Limit oder sogar über ihren Verhältnissen performt.
Eintracht Frankfurt: Keine gute Körpersprache in der Mannschaft
Zudem ist die Körpersprache mittlerweile nicht mehr so, wie sie sein müsste, auch abfällige Gesten gegenüber der Mitspieler oder das gegenseitige Anzicken nehmen zu. „Wir dürfen uns jetzt nicht selbst zerfleischen“, mahnt Kapitän Sebastian Rode.
Hinten kassiert die Mannschaft zu viele Treffer und vorne schießt sie zu wenige eigene. In den letzten vier Partien hat sie nur beim 3:2-Sieg in Stuttgart ins Schwarze getroffen (davon zweimal nach Standards), dreimal ging sie leer aus. Das kann kein Zufall sein. Sieht auch Glasner so: „Wir hatten dreimal eine Überzahl vor dem Tor und kamen nur einmal zum Abschluss. Das darf uns nicht passieren. Diese Qualität haben wir im Moment nicht.“
Schlimmer noch: Das, wovon Glasner spricht, nennt man im Jargon Halbchancen; Situationen, die eben brandgefährlich hätten werden können, wenn sie nicht schon vorher durch Schlampigkeit, Unkonzentriertheit oder Unvermögen im Keim erstickt worden wären. Zur Wahrheit gehört nämlich, dass die Eintracht in den letzten beiden Partien nur jeweils eine richtige Torgelegenheit hatte, gegen Wolfsburg vergab Jesper Lindström, in Köln Sebastian Rode. Bei den Ambitionen ist das zu wenig, viel zu wenig.
Und am Samstag kommen auch noch die Bayern nach Frankfurt. Das könnte übel enden. Bietet aber auch die Chance auf eine Umkehr des Trends – selbst wenn momentan nicht viel dafür spricht. (Ingo Durstewitz, Daniel Schnitt)