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Die enorme Kostic-Lücke der Eintracht

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Von: Thomas Kilchenstein

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Über links geht in dieser Saison bei Eintracht Frankfurt zu wenig. Der Abgang von Filip Kostic wurde nie aufgefangen - nun könnte Aaron Martin vom Nachbarn Mainz ein Kandidat sein.

Turin/Frankfurt - Vor ein paar Tagen ist Filip Kostic an die Stätte seines größten Triumphs zurückgekehrt, ins Estadio Ramon Sanchez Pizjuan, nicht als Privatmann, sondern im Auftrag seines Arbeitgebers Juventus Turin. Vor etwas mehr als einem Jahr war Kostic der König von Sevilla, mit Eintracht Frankfurt holte er den 15 Kilogramm schweren Pott, auch dank seines verwandelten Elfmeters. Ein Jahr später ging er fast durch die Hintertür, Juve spielte da im Halbfinale der Europa League und unterlag dem FC Sevilla nach Verlängerung 1:2, und Filip Kostic, einer der europaweit besten linken Außenbahnspieler, saß 88 Minuten auf der Ersatzbank. Dann kam er ins Spiel, schaufelte ein paar Flanken in den Strafraum, vergeblich.

Erstaunliche 52 Pflichtspiele hat er für die Italiener absolviert, drei Tore geschossen und zwölf Vorlagen geliefert, allerdings wurde er regelmäßig vor dem Schlusspfiff ausgewechselt. Und sehr wahrscheinlich wird es für Juve im nächsten Jahr nicht auf europäische Reisen gehen, der Klub bekommt wegen seines eigenwilligen Finanzgebarens zehn Punkte abgezogen.

Die Kostic-Erben bei Eintracht Frankfurt wackeln

Sein letztes Spiel für Eintracht Frankfurt hat der 30 Jahre alte Serbe Anfang August des vergangenen Jahres bestritten, bei der 1:6-Auftaktpleite gegen Bayern München, da konnte er sich nach seiner Auswechselung noch von seinem Publikum verabschieden. Ein paar Tage zuvor hat er mitgeholfen, den 1. FC Magdeburg in der ersten Runde im DFB-Pokal 4:0 zu schlagen, ein bisschen Kostic steckt also noch drin in diesem Wettbewerb, der die Eintracht ins Pokalfinale führte.

Filip Kostic
Filip Kostic im Trikot von Juventus Turin. © Italy Photo Press / Imago Images

Im Grunde aber hat der hessische Bundesligist die Lücke, die der Abgang des Klassemannes Kostic auf dem linken Flügel gerissen hat, nicht mehr stopfen können. Die linke Seite - das war lange, lange Zeit die absolute Sahneseite der Frankfurter, über diesen Korridor hebelten die Hessen häufig die gegnerische Abwehr auf. Seit 2018 hat Kostic das Frankfurter Spiel beflügelt, ja geprägt. Und klar war auch: Wenn sich der Tempomacher auf links in Bewegung setzte, wenn er zum Spurt loslegte, herrschte Alarmstimmung für alle Widersacher, Kostic kannte sehr genau den Weg nach vorne, zielstrebig und seine Schüsse ins rechte untere Eck waren legendär.

Das ist jetzt alles nicht mehr da. Eintracht Frankfurt hat in dieser Saison den serbischen Nationalspieler adäquat nicht ersetzen könne, weder personell noch taktisch. Zwar ist die einstige Linkslastigkeit des Frankfurter Spiels - die wegen der Ausrechenbarkeit zuweilen nicht immer von Vorteil war - mittlerweile nicht mehr gegeben, nun kommt weder von links noch von rechts Druck und Gefahr in ausreichendem Maße.

Nun ist es ganz sicher unfair, von den Kostic-Erben zu verlangen, so aufzudrehen wir er. Dazu war Kostic schlicht zu gut, nicht umsonst hat sich ein europäischer Topklub diesen Spieler geangelt. Fakt bleibt aber zunächst: Luca Pellegrini, der leihweise im Tausch für Kostic geholt wurde, konnte als Erster nicht im Entferntesten die Erwartungen erfüllen. Er blieb als großer Flop in Erinnerung, einer, der sich nie ernsthaft auf Eintracht Frankfurt eingelassen hatte und ein Fremdkörper blieb. Im Winter konnte das Missverständnis beendet werden.

Philipp Max, Ende Januar vom PSV Eindhoven gekommen, entpuppte sich nicht als der, der die Lücke zu füllen vermochte. Dabei fing der frühere Nationalspieler und Mario-Götze-Buddy nicht schlecht an, die ersten Spiele waren vielversprechend, doch seinen Stempel konnte der 29-Jährige nicht aufdrücken. In 13 Pflichtspielen kam er auf eine Vorlage, seit ein paar Wochen ist er verletzt, ob er noch mal in den letzten beiden Spielen zum Einsatz kommt, ist sehr fraglich. Die Eintracht besitzt eine Kaufoption von zwei Millionen Euro.

Christopher Lenz, noch einer, der sich auf außen versucht hat, ist ein anderer Spielertyp als Kostic. Er denkt zuallererst defensiv, spielt lieber einen Sicherheitspass mehr zurück. Dazu kommt eine bemerkenswerte Harmlosigkeit: In 91 Bundesligaspielen ist ihm kein einziges Tor gelungen.

Eintracht Frankfurt fehlt der Schwung über links

Auch Ansgar Knauff oder der sehr sporadisch zum Einsatz kommende Faride Alidou konnten über links kaum überzeugen. Knauff, der lieber über rechts kommt, hat von links immerhin sein bislang einziges Saisontor erzielt. Aber er war auch nur Notlösung, hatte rechts seinen Platz an Aurelio Buta oder Eric Dina Ebimbe verloren. Knauffs Tor ist das einzige, das ein linker Frankfurter Flügelmann erzielt hat, Kostic zum Vergleich: in 2021/22 in 43 Spielen sieben Tore und 15 Vorlagen. Buta, lange verletzt, hat rechts dreimal getroffen. Eric Dina Ebimbe, ebenfalls lange verletzt, zweimal.

Macht jetzt bei Juventus Dampf: Filip Kostic.
Macht jetzt bei Juventus Dampf: Filip Kostic. © IMAGO/NurPhoto

Eintracht Frankfurt fehlt also der Schwung über links. Es fehlt Power, Durchsetzungsvermögen, Torgefahr und Tempo über diesen Flügel. Es kommen zu wenige Flanken, zu wenig Anspiele von Außen auf Zielstürmer Randal Kolo Muani.

Für die neue Saison bemüht sich Sportvorstand Markus Krösche um den Mainzer Aaron Martin, 26, der ohne Ablöse wechseln kann. In 27 Spielen erzielte der Spanier für die Nullfünfer fünf Tore und legte drei auf. Immerhin. Ein technisch feiner Spieler, der aber seine Schwankungen hat. In einem System mit Dreierkette macht er immer dann den besten Eindruck, wenn es nach vorne geht. Ihn allerdings mit Filip Kostic zu vergleichen, wäre vermessen. (Thomas Kilchenstein)

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