Eintracht Frankfurt steht vor der Zerreißprobe

Neue Volte im Frankfurter Machtkampf: Vorstand wähnt sich aus den eigenen Reihen angegriffen und wählt die Konfrontation.
Frankfurt – Der Machtkampf bei Eintracht Frankfurt spitzt sich zu und tritt in eine neue Phase ein. Längst geht es nicht mehr nur um den persönlichen Konflikt zwischen Vorstandssprecher Axel Hellmann und Aufsichtsratschef Philip Holzer. Inzwischen hat der Streit eine neue Dimension erreicht, ein erbitterter Streit, der den Verein spaltet und der ihn vor eine echte Zerreißprobe stellt. Ein Einfach-weiter-so ist ausgeschlossen, in der jetzigen Konstellation und der personellen Besetzung wird Eintracht Frankfurt in den höchsten Gremien eher nicht weiterarbeiten. Dafür ist die Basis nicht mehr gegeben. Personelle Konsequenzen, in nicht allzu ferner Zukunft, scheinen unausweichlich.
Im Mittelpunkt des tobenden Kampfes um Macht, Einfluss und Geld steht mittlerweile ein im August 2022 abgegebenes Millionenangebot von Aufsichtsrat und Anteilseigner Stephen Orenstein sowie eine Bewertung der Investmentbank Nomura, die den Unternehmenswert der Eintracht im Januar 2023 mit gut 500 Millionen Euro bezifferte. Der vermögende Investor Orenstein halte diesen Wert laut „Bild“-Zeitung für sehr ambitioniert. Das freilich wäre pikant. Ein Aufsichtsrat sollte ja ein Interesse an einem möglichst hohen Ranking haben.
Zerreißprobe für Eintracht Frankfurt: Aktie zu niedrig bewertet?
Den „Bild“-Artikel nahm der komplette Vorstand der Eintracht Frankfurt Fußball-AG um Axel Hellmann, Markus Krösche, Oliver Frankenbach sowie Philipp Reschke am Samstag zum Anlass, den Aufsichtsräten und Aktionären ein Schreiben zukommen zulassen, in dem er sich „irritiert“ über die Vorgänge zeigt und das Gremium zu einer Klärung des Sachverhalts auffordert.
„Einzelne Mitglieder des Vorstandes sind wiederholt von verschiedenen Seiten in Kenntnis gesetzt worden, dass Mitglieder des Aufsichtsrats in persönlichen Gesprächen mit Dritten Zweifel zum Ausdruck bringen an dem von Nomura erarbeiteten Wertgutachten vom 13. Januar 2023, das einen Unternehmenswert der Eintracht Frankfurt Fußball AG in Höhe von 503 Millionen Euro ermittelt hat“, heißt es in dem Brief. Aufgrund der Beurteilung der Rating-Bank hat Finanzvorstand Oliver Frankenbach einen Geschäftsplan erstellt, mit dem die Eintracht in den Markt geht, um sich für potenzielle Investoren zu öffnen. Demnach hat eine Aktie einen Wert von 150 Euro.
Am Sonntag äußerte sich Unternehmer Orenstein und teilte mit, dass er „ausschließlich eine Einordnung“ dazu geben wollte, wonach eine Einschätzung wie jene von Nomura von den „Unwägbarkeiten des Fußballgeschäfts“ abhänge. „Natürlich hat eine Bewertung stets eine hohe Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg.“ Die Eintracht habe „aufgrund der teils historischen Erfolge eine Steigerung des Unternehmenswerts erreichen können“. Und weiter: „Dass die Bewertung vom Januar aufgrund des erreichten Champions-League-Achtelfinales sowie guter Perspektiven in Bundesliga und DFB-Pokal noch einmal deutlich höher ist, freut uns alle.“
Eintracht Frankfurt: Neue Volte im Frankfurter Machtkampf
Dazu muss man wissen, dass Investor Orenstein, der gemeinsam mit Aufsichtsratsboss Holzer als „Freunde des Adlers“ 16,81 Prozent der Anteile an der Fußball-AG hält, am 18. August 2022 ein Angebot unterbreitet hat, in dem er der Eintracht insgesamt 42,2 Millionen Euro zuführen wollte, 40,09 Millionen Euro der Fußball-AG, 2,11 Millionen Euro dem eingetragenen Verein. Der AG-Vorstand hatte im Frühjahr 2022 eine Kapitalmaßnahme für sinnvoll erachtet, auch weil Corona das Vermögen um 80 Millionen Euro abschmelzen ließ und Verbindlichkeiten in Höhe von 30 Millionen Euro drücken.
Die Orenstein-Offerte, im Zuge derer er sich dazu verpflichtet hätte, seine Aktienanteile bis mindestens 2033 nicht zu verkaufen, war von verschiedenen Vertretern anfangs begrüßt worden, auch von Axel Hellmann und Vereinspräsident Peter Fischer. Doch nach einigen Tagen drehte sich die Stimmung, gerade im Vorstand, das Gesamtpaket wurde in Relation zu den abzugebenden Anteilen des Muttervereins als zu niedrig eingestuft. Unfreundlich, wie es heißt. Orensteins Proposition hätte einen Wert von rund 100 Euro pro Aktie gehabt, eine Steigerung von 40 Prozent im Vergleich zur letzten Bewertung aus dem Jahr 2020. Zehn Jahre zuvor wurde ein Wertpapier noch für acht Euro ausgegeben – im Januar 2023 allerdings, wie erwähnt, mit 150 Euro taxiert.
Orensteins schriftlich fixiertes Gebot war zeitlich befristet, lief am 19. September 2022 aus und wurde am 21. September von ihm zurückgezogen – fünf Tage vor der Jahreshauptversammlung, in der die Basis ein klares Signal sendete. Per Dringlichkeitsantrag des Mitglieds Sebastian Braun beschloss sie, dass der Mutterverein, der als Mehrheitsgesellschafter 67,89 Prozent der Anteile hält, nie weniger als 60 Prozent der Anteile halten und ein Investor nicht mehr als 24,9 Prozent besitzen dürfe. Im Anschluss an die JHV wurde das Thema Kapitalerhöhung erst einmal nicht weiter verfolgt, ein neues Angebot von Stephen Orenstein gab es nicht.
Eintracht Frankfurt: Neue Interessenkonflikte
Nun ist der Eintracht-Vorstand aktiv geworden, weil er die von Finanzchef Frankenbach – auf Basis von Nomura – ermittelten Zahlen aus den eigenen Reihen angezweifelt sieht. Dabei sei der Vorstand „vollkommen davon überzeugt“, dass an dem Gutachten „methodisch und inhaltlich nichts zu beanstanden“ sei und die 503 Millionen Euro den „Wert der Gesellschaft zutreffend“ wiedergeben würden. Und weiter: „Wenn jetzt aber bei möglichen Kapitalgebern oder gar öffentlich der Eindruck entsteht, dass Organmitglieder Zweifel an der vom Vorstand erarbeiteten Unternehmensplanung und damit an der Arbeit des Vorstandes haben, dann müssen wir sehr zeitnah Fragen zur Bewertung möglicher Interessenkonflikte innerhalb der Organe klären.“ Jegliche „Störfeuer“ aus den eigenen Reihen seien zu beenden. Den Räten wurde eine Frist zur Stellungnahme bis 11. April eingeräumt.
Philip Holzer als Chef des Gremiums reagierte am Sonntag und war um Ausgleich bemüht. „Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Bewertungsgutachten von Nomura. Eine Bewertung von 150 Euro pro Aktie – das macht mich sehr, sehr stolz“, sagte er der FR. „Eine Kapitalmaßnahme auf diesem Niveau wäre eine großartige Leistung des Vorstands. So sieht es auch der gesamte Aufsichtsrat.“ (Ingo Durstewitz)