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Eintracht Frankfurt: Mit neuer Integrationsfigur „raus der Komfortzone“

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Von: Ingo Durstewitz

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Fangsicher und empathisch: Jens Grahl. Foto: Hübner
Fangsicher und empathisch: Jens Grahl. © grahl

Der Frankfurter Ersatztorwart Jens Grahl soll in der Eintracht-Kabine als Integrationsfigur wirken.

Frankfurt - Seit ein paar Tagen trägt Jens Grahl den Adler auf der Brust, klein, rund, aufgestickt auf der linken Seite. Der neue Eintracht-Torwart trägt ihn aber auch auf dem Rücken, unter die Haut gestochen, großflächig und mächtig. Ein riesiges Adlertattoo überspannt die gesamte Rückseite seines muskulösen Oberkörpers. „Es ist das schönste Tier auf der Welt“, sagt der 32-Jährige und zählt ein paar Attribute auf: „elegant, grazil, frei.“ Mit Eintracht-Adler Attila, dem lebendigen Wappentier, hat er vor ein paar Jahren, als er mit der TSG Hoffenheim in Frankfurt spielte, schon Bekanntschaft gemacht. „Ich habe ihn kurz kennengelernt.“

Die nette Analogie zum Adler ist aber natürlich nicht der Grund, weshalb der gebürtige Stuttgarter seinen Herzensverein VfB verlassen und bei der Eintracht angeheuert hat. Da spielten andere Faktoren eine Rolle, die Perspektive etwa. Der Schlussmann, für 250 000 Euro ausgelöst, hat sich zunächst einmal für drei Jahre als Spieler an den Frankfurter Klub gebunden, im Anschluss gibt es die Option, als Torwarttrainer im Jugendbereich am Riederwald unterzuschlüpfen. „Das hat mich überzeugt, hierher zu kommen.“

Eintracht Frankfurt: „Raus aus der Komfortzone“

Dass ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen ist, liegt auf der Hand. Jenson, wie er gerufen wird, ist Stuttgarter durch und durch, stand als Knabe im Fanblock des VfB, kickte als Vierjähriger bei den Bambinis und schlief in der Bettwäsche des Klubs. Das Stadion trägt er als Tattoo auf dem linken Arm. „Ich lebe den VfB schon von klein auf“, sagte er mal.

Und doch juckte es ihm in den Händen, nach fünf Jahren „noch mal die Chance zu suchen, etwas anderes zu machen. Es hat sich richtig angefühlt.“ Innerlich verspürte er den Drang, sich verändern zu wollen. „Ich wollte raus aus der Komfortzone.“ In Bad Cannstatt kennt er jeden Grashalm. In Frankfurt musste er sich erst mal die Namen der Jugendspieler draufschaffen, die mit den Profis trainieren.

Eintracht Frankfurt: Jens Grahl als „Papa der Mannschaft“

Er fühlt sich aber gar nicht fremd, sondern gut aufgehoben, mit seiner Familien hat er gleich ein Häuschen bezogen. Der Routinier ist ganz angetan von seinem neuen Verein. „Ich fühle mich pudelwohl, es war so wie nach Hause kommen.“

Das könnte auch an seiner Art liegen. Der Keeper, der sich selbst mit einem Lächeln als „schlaues Köpfchen“ bezeichnet, ist ein offener, umgänglicher Typ. In Stuttgart war er die gute Seele, Kummerkasten und Ratgeber, so etwas wie die Mutter der Kompanie. „Ich war der Papa der Mannschaft“, befindet er. Und das, obwohl er in fünf Jahren kein einziges Pflichtspiel für die Schwaben bestritten hat.

Doch aufgeschlossene, kommunikative Typen, die auf andere zugehen und sie mitnehmen, kommen gut an in einer großen, heterogenen Gruppe. Da ist es nicht so wichtig, jede Woche auf dem Platz zu stehen. Akzeptanz erlangt man auch qua Persönlichkeit. Einer wie Jens Grahl ist wichtig für die Kabine, eine Art Integrationsfigur, zuständig für die Balance und das Innenleben.

Eintracht Frankfurt: Markus Krösche und Jens Grahl kennen sich von früher

„Er ist ein wichtiger Faktor für die stetige Weiterentwicklung des Gesamtgefüges“, sagt Sportvorstand Markus Krösche, der ein Jahr in Paderborn mit Grahl zusammenspielte, aber mit ihm zusammen nur einmal, 2011 beim 10:0-Kantersieg im DFB-Pokalspiel in Ahlen, auf dem Feld stand. „Ich bin sicher, dass davon insbesondere unsere vielen jungen Talente profitieren werden.“

Es ist kein Zufall, dass die Verantwortlichen auf diese vordergründig nebensächlichen, aber im Fußballalltag enorm wichtigen Aspekte achten. Ein Team braucht eine Hierarchie, ein Gerüst; Profis, die positiv sind und gut ankommen, aber wissen, wie der Hase in einer Profimannschaft zu laufen hat. Genau aus diesem Grund ist auch Timothy Chandlers Vertrag noch einmal langfristig ausgedehnt worden, obwohl der 31-Jährige gewiss kein Stammspieler ist.

Jens Grahl, der nur zwölf Bundesligaspiele absolviert hat (sein erstes mit Hoffenheim in Frankfurt, 2:1), sieht sich selbst ebenfalls als Helfer und Unterstützer. „Ich bin keiner, der jemanden anmeckert, sondern für jeden Spaß zu haben. Im Kopf bin ich noch wie 20“, sagt er lachend. Aber natürlich sehe er es mit 32 als seine Aufgabe, ein „offenes Ohr für jeden Spieler zu haben“, in Stuttgart habe er die Jüngeren auch mal in den Arm genommen, wenn das Training nicht so lief oder sie etwas belastete. „Die Älteren müssen vorangehen.“

Eintracht Frankfurt: Torwarttrauber Zimmermann wollte Jens Grahl

Ganz sicher ist es auch kein Zufall, dass sich ausgerechnet Torwarttrainer Jan Zimmermann für eine Verpflichtung des Ex-Hoffenheimers stark gemacht hat. Der 36-Jährige ist ein ähnlicher Typ, eloquent, reflektiert, einer, der über den Tellerrand hinausblickt. Da funken zwei auf einer Wellenlänge. „Zimbo hat mich von seinem Weg überzeugt, er hat die entscheidende Rolle bei meinem Wechsel gespielt.“

Über den Status als Ersatzkeeper wird Grahl auch in Frankfurt nicht hinauskommen, Kevin Trapp ist als Aushängeschild und Nationaltorwart unangefochten. „Kevin ist ein Weltklassetorhüter“, verneigt sich der neue Kollege, der sich blendend mit dem 31-jährigen Platzhirsch versteht. „Wir reden viel miteinander.“ Auch für den jungen Diant Ramaj hat er lobende Worte übrig: „Er ist ein Super-Talent.“

Die Frage ist nun, ob Grahl als Nummer zwei oder drei ins Rennen gehen wird. Für ihn sei das nicht so entscheidend, sagt er. „Man muss immer vorbereitet sein auf den Tag X, selbst wenn der Tag nicht kommt. Aber ich habe mich nie hängen gelassen.“ Man glaubt es ihm aufs Wort.

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