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Brüchige Kette bei der Eintracht

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Von: Ingo Durstewitz

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Chancenlos gegen Neapels Starstürmer Victor Osimhen: Frankfurts Kristijan Jakic (links) zahlt ordentlich Lehrgeld.
Chancenlos gegen Neapels Starstürmer Victor Osimhen: Frankfurts Kristijan Jakic (links) zahlt ordentlich Lehrgeld. © dpa

Die Eintracht sucht mal wieder einen Abwehrchef, aber auch die anderen Frankfurter Verteidiger sind überschätzt und fehleranfällig.

Frankfurt – Eigentlich wäre der Deckel schon drauf gewesen auf dem Champions-League-Spiel gegen Neapel, ehe Eintracht-Stürmer Randal Kolo Muani mit einem Knöcheltritt und folgender Roter Karte die Partie endgültig und das Gesamtduell mit ziemlicher Sicherheit entschieden hat. Denn dass Eintracht Frankfurt nach einer Stunde noch nicht hoffnungslos hinten lag, hatte sie zum einen Victor Osimhen zu verdanken, der kurz nach der Führung der Italiener einen Schritt zu weit nach vorne gestürmt war und so sein Treffer zum 2:0 wegen einer Abseitsstellung annulliert wurde (42.). Und zum anderen Eintracht-Torwart Kevin Trapp, der im Eins-gegen-Eins mit Khvicha Kvaratskhelia prächtig reagierte und den vorzeitigen K.o. verhinderte (57.). Der folgte dann erst später. Das Auffällige: Beide Male waren katastrophale Fehlpässe der Frankfurter Verteidiger vorangegangen. Im ersten Abschnitt von Evan Ndicka, in Durchgang zwei von Kristijan Jakic. Mal wieder, muss man sagen.

Und damit wären wir bei einem gar nicht so klitzekleinen Eintracht-Problem, das bisher gar nicht so stark in die Öffentlichkeit drängte: die Abwehrarbeit des Bundesligisten. Natürlich ist es zu einfach und zu billig, den Verteidigern alle Gegentore in die Schuhe zu schieben. Auch hier dient das Neapel-Spiel als gutes Beispiel: Vor dem 0:1 war es Nationalspieler Mario Götze, der einen hanebüchenen Fehlpass spielte, es waren die Mittelfeldspieler Daichi Kamada und Djibril Sow, die zu weit aufgerückt waren und das Zentrum freigaben, so dass die Italiener blitzschnell konterten und Trainer Oliver Glasner auf die Palme brachten: „Ein No-Go, wie wir uns da verhalten haben.“ Die Defensive kann nur glänzen, wenn es im ganzen Team stimmt, wenn Räume verdichtet, Positionen gehalten, kollektiv verschoben und gearbeitet wird. Das ist ganz klar.

Eintracht Frankfurt: Innenverteidiger überschätzt?

Und doch fällt auf, dass auch die einzelnen Spieler der Kette lange nicht mehr so in Form sind, wie sie mal waren oder vielleicht auch einfach nicht so gut sind, wie viele glauben. Es gibt mittlerweile einige Bedenkenträger, die die Eintracht-Innenverteidiger für ziemlich überschätzt halten.

Für höchste Ansprüche reicht es in der Tat nicht bei der Frankfurter Deckung, auf diesem Niveau leisten sich die Abwehrrecken zu viele Fehler und sind schlichtweg zu anfällig und unbeständig. Obendrein nicht schnell genug. Der Brasilianer Tuta etwa, unangefochtener Stammspieler da hinten, der kaum eine Minute verpasst, sucht nun schon seit Wochen verzweifelt seine Form – er kann sie nur nicht finden.

Eigentlich war der immer noch erst 23-Jährige als Kopf der Dreierkette vorgesehen, schon in der vergangenen Saison spielte er dort in den entscheidenden Partien der Europa League gegen West Ham United und den FC Sevilla. Halbfinale und Finale. Mehr geht nicht. Tuta machte seine Sache gut. Und Sportvorstand Markus Krösche frohlockte vor Beginn der aktuellen Spielzeit. „Von seinem Naturell kann er unser Abwehrchef werden, das ist eine Position, die in Zukunft zu ihm passen könnte.“ Die Zukunft scheint noch nicht angebrochen. Zwar bot Coach Glasner den Südamerikaner in den ersten Spielen als Libero auf – doch Tuta fiel gnadenlos durch. Längst verteidigt er wieder rechts.

Der Platz in der Mitte, um zur nächsten Problemzone zu kommen, wird seitdem auf drei Spieler verteilt: Mal darf Altmeister Makoto Hasebe ran, mal, wie gegen Neapel, Kristijan Jakic, oder auch mal Hrvoje Smolcic. Der Kroate bekleidete den Posten zum Restart in diesem Jahr. Wackelte aber bedenklich und rotierte wieder raus. Auch Jakic rechtfertigte seine Nominierung nicht, konnte der Abwehr in der Königsklasse keinen Halt geben. Überdies: Kaum ein Spiel von ihm bleibt ohne Bolzen. „Am Ende hat es gegen Neapel nicht gereicht“, sagte Glasner, schränkte aber ein: „Es hat auch als Mannschaft nicht gereicht.“ Das ist richtig.

Der beste Spieler auf dieser Position ist und bleibt immer noch Bundesliga-Dino Makoto Hasebe, der zuletzt zwar auch etwas schwächelte, generell nicht der Schnellste und Kopfballstärkste ist, aber das mit Abstand größte Spielverständnis und fußballerisches Vermögen mitbringt. Mit ihm ist das Eintracht-Spiel einfach besser. Und mit ihm werden auch seine Nebenleute besser, sicherer, cooler. „Er gibt den anderen aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Erfahrung und seiner Qualität einfach Halt“, sagte Glasner unlängst – und nahm ihn nach der 0:3-Schlappe in Köln wieder aus dem Team.

Immer wenn der Gegner einen großen, schnellen Stürmer aufbietet (was ja fast jeder macht), schwindet des Trainers Vertrauen in Hasebe. Und: Klar soll sich die Mannschaft irgendwann emanzipieren und nicht auf einen 39-Jährigen angewiesen sein. Doch noch ist er halt besser als die anderen.

Im Grunde war Fußballrentner Martin Hinteregger der letzte unumstrittene Abwehrchef, der auch mal wankte, aber immer da war, wenn es auf ihn ankam. Gerade in den großen Spielen wuchs der kernige Hinti, der längst seine Karriere beendet hat und in der Heimat als Stürmer in der Unterliga auftritt, über sich hinaus. Erinnert sei an die beiden heroischen Auftritte gegen Barcelona, als er nicht weniger als Weltklasseleistungen ablieferte. Oder seine Willensleistung gegen Betis Sevilla, als er eine späte Flanke mit vollem Einsatz irgendwie ins Tor drückte und das Viertelfinale sicherte. So ist der spätere Triumph in Andalusien erst möglich geworden. Heute klagt Glasner bei Standards und Flanken, man könne sich auch für den Friedensnobelpreis bewerben. So ungefährlich ist die Eintracht da.

So muss man mit einigem Abstand klar konstatieren, dass es eine Fehleinschätzung war, keinen Ersatz für Hinteregger zu holen. Ein Versäumnis, das die Eintracht zur neuen Saison dringend korrigieren muss. Denn Hasebe wird nicht jünger und die anderen wohl nicht besser. Zumal Almamy Touré, der so gar keine Rolle mehr spielt, keinen neuen Vertrag erhalten und Evan Ndicka seine Zelte nach fünf Jahren abbrechen und ablösefrei wechseln wird. Auch der Franzose schwankt seit Wochen in seinen Leistungen.

Für ihn wird William Pacho von Royal Antwerpen verpflichtet. Der 21 Jahre alte Linksfuß kostet neun Millionen Euro und gilt als absolute Topverstärkung, Experten trauen dem Linksfuß eine große Karriere zu. Fehlt halt nur noch einer fürs Zentrum. Oder halt die Umstellung auf Viererkette. Hat Oliver Glasner auch schon einige Mal versucht – mit überschaubarem Erfolg. (Ingo Durstewitz)

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