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Bei der Eintracht überwiegt der Stolz

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Von: Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz

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Eine Nummer zu groß für die Eintracht: SSC Neapel zieht locker ins Achtelfinale ein.
Eine Nummer zu groß für die Eintracht: SSC Neapel zieht locker ins Achtelfinale ein. © dpa

Eintracht Frankfurt zieht den Hut vor Neapel, leckt Wunden und befürchtet keinen Knacks – was freilich zu beweisen wäre.

Besonders schwer war es nach der Demonstration der Stärke am Mittwochabend niemandem im Frankfurter Lager gefallen, diese 0:3-Niederlage zu akzeptieren. Dazu war der SSC Neapel einfach zu überlegen, zu gut, „zu groß für uns“, wie der Frankfurter Trainer Oliver Glasner neidlos und „mit ruhigem Gewissen“ einräumen musste. Die Italiener hatten den Hessen schonungslos „die Grenzen aufgezeigt“, sie waren schlicht in allen Belangen die bessere Mannschaft, hatten sehr klugen, sehr guten Fußball gespielt, ohne, wie andernorts, den Gegner zu demütigen. „Dieses Niveau können wir noch nicht spielen“, betonte der österreichische Fußballlehrer. Kapitän Sebastian Rode sprach gar von „einer fantastischen Mannschaft“, gegen die man verloren habe.

Gegen diesen SSC Neapel, das Maß aller Dinge in Italien, hätte es die Eintracht selbst in der Gala-Form aus dem Herbst, als man federleicht über die Fußballfelder zu schweben schien, schwer gehabt. In der aktuellen Verfassung, ohnehin nicht die beste, war sie chancenlos. Aktuell unterlaufen den Hessen einfach zu viele Fehler, individuelle und im Kollektiv, vor dem 0:1 etwa, unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff, oder auch vor dem 0:2. Solche Bolzen werden auf Champions-League-Niveau gnadenlos bestraft.

Und wenn dann noch die beiden torgefährlichsten Angreifer, Randal Kolo Muani und Jesper Lindström, nicht zur Verfügung standen, wird es erst recht aussichtslos. Im Grunde war das Aus im Achtelfinale der Königsklasse besiegelt, als der stürmische Franzose im Hinspiel nach 58 Minuten des Feldes verwiesen wurde. Ohne Kolo Muani, das hat auch dieses Spiel gezeigt, ist Eintracht Frankfurt ohne jede Wucht, ohne Durchschlagskraft und Punch, schlicht zu harmlos. Zumal für einen Widerpart wie die Jungs von Trainer Luciano Spalettini. „Das Level von Neapel war für uns zu hoch“, wiederholte Glasner. Diese Neapolitaner sind in dieser Form noch keineswegs am Ende ihrer Reise angekommen, ganz und gar nicht. Dafür wurden sie von den Hessen auch viel zu wenig gefordert.

Hätte Eintracht Frankfurt hingegen etwa gegen Paris Saint Germain spielen dürfen, diese blutleere Startruppe, okay, da hätte vielleicht trotzdem was gehen können oder gegen Milan oder Inter. Aber Napoli? Da war abzusehen, dass die Reise enden und sich der Kreis förmlich schließen würde, dass die scheinbar niemals enden wollende Erfolgsstory erst einmal ein Ende hat – und im besten Falle dann in absehbarer Zeit neu geschrieben werden muss. Irgendwann, sagte dann auch Sportvorstand Markus Krösche, „kommen auch wir an unsere Grenze“.

Bei aller Enttäuschung über das nicht ganz unerwartete Aus in der Königsklasse wird doch in den nächsten Tagen und Wochen der Stolz überwiegen, sich in der obersten Etage des Spitzenfußballs ordentlich geschlagen zu haben, die Eintracht und den deutschen Fußball gut vertreten zu haben. Erstmals seit fast 20 Jahren ist es einem deutschen Debütanten gelungen, ins Achtelfinale einzuziehen. Das ist aller Ehren wert. Und man muss auch immer sehen, woher Eintracht Frankfurt kam. Glasner nannte sein Team vor der Partie pfeifend im Wald zwar „amtierender Champion“ und meinte damit den Europa-League-Erfolg vom Mai, tatsächlich war die Mannschaft in der Bundesliga am Ende aber auf einem elften Tabellenplatz eingelaufen – nicht direkt eine Einladung in die Königsklasse.

Dort aber hat sie diese ganze spezielle Dynamik, diesen außergewöhnlichen Zauber entfaltet und im Zusammenspiel mit ihren Fans, den friedlichen, nicht jenen, die in Neapel ein verabscheuungswürdiges Schauspiel geliefert hatten, zuweilen über ihren Möglichkeiten gespielt. Und sich deutlich besser verkauft als ihr viele zugetraut hatten. „Wir haben sehr erfolgreiche eindreiviertel Jahre gehabt, haben Geschichte im Verein geschrieben. Das ist unheimlich schön“, fasste Frankfurts Bester an diesem Abend im Stadio Diego Armando Maradona, Kevin Trapp, zusammen.

Auch das Tempo, in dem die Mannschaft nach dem dicken Dämpfer gleich im ersten Spiel gegen Sporting Lissabon (0:3) ihre Lehren zog und sich an das ungleich höhere Niveau anpasste, war bemerkenswert. Drei Siege (zweimal Olympique Marseille, einmal Sporting Lissabon), ein Remis, zwei Niederlagen in der Gruppenphase brachten Rang zwei, und hätte Tottenham Hotspur im allerletzten Spiel nicht in der Nachspielzeit noch einen Treffer erzielt, die Hessen wären sogar als Gruppenerster durch gegangen (und damit dem SSC Neapel aus dem Weg). Allemal hat die Mannschaft Blut geleckt, „wer einmal Champions League gespielt hat, will immer auf diesem Niveau spielen“, beteuerte Trapp.

Davon ist die Eintracht momentan aber weit entfernt. Zwar steht das Team aussichtsreich in zwei Wettbewerben, doch in der Liga muss sie in erster Linie zusehen, Platz sechs gegen heranhechelnde Verfolger - Mainz, Wolfsburg, Leverkusen - abzusichern, im Pokal steht sie zwar im Viertelfinale, zu Hause muss aber auch erst mal Union Berlin bezwungen werden. Alles keine leichten Aufgaben, vor allem in der gegenwärtigen Verfassung. Die Eintracht muss sich schütteln, muss Ballast abwerfen und sich neu aufstellen. Die Formkurve des Teams zeigt nach unten, zwei Grundprobleme ziehen sich seit Wochen durch: Zu wenig Durchschlagskraft und Torchancen im Angriff (trotz des umworbenen Kolo Muani, der sich dieser Tage vorerst zur Eintracht bekannte. „Mein Job ist hier in Frankfurt“), zu viele leichte Fehler in der Defensive.

Wenigstens habe man durch den Wegfall eines Wettbewerbs mehr Trainingszeit, findet Glasner. Ob das hilft, steht auf einem anderen Blatt, zumal nach dem wichtigen Spiel am Sonntag bei Union Berlin sich während der Länderspielzeit die meisten Spieler in „alle Winde zerstreuen“ (Glasner). Immerhin glaubt Sportchef Krösche nicht, dass das Aus in Champions League der Mannschaft einen Knacks versetzt habe.

In den kommenden Wochen gilt es, zehn Spieltage in der Bundesliga mit Partien unter anderem gegen die Konkurrenz um internationale Startplätze (Union, Leverkusen, Dortmund, Mainz und Freiburg). Eintracht Frankfurt hat es in der eigenen Hand: „Es ist toll, solche Fußballabende zu erleben“, sagt Glasner. „Wir wollen die Saison krönen und vergolden.“

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