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Amin Younes: „Ich spiele frei nach Schnauze“

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Von: Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

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Liebt das Dribbling: Amin Younes (rechts). Foto: Hübner
Liebt das Dribbling: Amin Younes (rechts). Foto: Hübner © Jan Huebner

Eintracht-Zugang Amin Younes im großen FR-Interview über Unbekümmertheit, internationale Ambitionen, und weshalb er den Fußball als Jugendlicher mehr genossen hat.

Herr Younes, sieben Punkte aus den letzten drei Spielen, es läuft bei der Eintracht. Jetzt geht’s nach Mainz, wo es bis auf einen Pokalerfolg vor 35 Jahren noch nie einen Sieg gab.

Wirklich? Diese Statistik hätten Sie mir besser nicht sagen sollen, dann wäre ich da unvoreingenommener hingefahren (lacht). Aber gut, ich bin sowieso niemand, der großartig auf Statistiken schaut.

Aber Fußballer sind doch abergläubisch.

Nein, nein, ich nicht. Ich habe zwar so meine Rituale, aber ich bin kein abergläubischer Mensch.

Welche Rituale sind das?

Ich mache alles erst mit rechts, den rechten Schuh zuerst anziehen, das Feld erst mit dem rechten Fuß betreten.

Wenn das nicht doch Aberglaube ist.

Wenn ich es mal vergesse, ist es nicht so, dass ich nicht spielen kann (lacht).

Okay, dann zurück zum Sportlichen: Aktuell läuft es rund, gute Aussichten für einen Erfolg in Mainz?

Ich bin optimistisch, wir haben zuletzt tolle Spiele gezeigt, sind konstanter geworden und hatten auch mal das nötige Glück. Jetzt geht das Ding von Martin Hinteregger gegen Leverkusen an die Latte und nicht ins eigene Tor. Glück braucht man auch mal.

Trainer Adi Hütter hat das System verändert, er ließ zuletzt mit zwei offensiven Mittelfeldspielern hinter nur noch einer Spitze spielen. Was hat das bewirkt?

Wir sind dadurch noch einen Tick offensiver geworden. Wir tun dem Gegner damit weh, sind vorne gefühlt in der Überzahl, sind griffig, flexibel. Was ich auch schätze, ist, dass niemand Starallüren hat, jeder geht auch in der Rückwärtsbewegung konsequent nach. Das sind Eigenschaften, die vielversprechend sind und Lust auf mehr machen.

Das verlangt aber auch viel Laufbereitschaft. Sie wurden erst Anfang Oktober verpflichtet, haben sich herangekämpft und waren dann noch mal wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne. Wie fit sind Sie?

Ich fühle mich gut, im vergangenen Spiel gegen Leverkusen war auch die Laufleistung gut. Wichtig ist, dass ich das auch konstant hinbekomme. Jetzt stehen viele Spiele im Januar an, danach werde ich die Frage wohl besser beantworten können. Doch grundsätzlich mache ich schon alles dafür, damit es noch besser wird – privat, im Training, im Spiel.

Wie verlief Ihre Corona-Erkrankung?

Ich hatte kaum Beschwerden, nur einen Geruchs- und Geschmacksverlust, aber beides ist zum Glück wieder da. Sportlich war die Zeit ärgerlich. Weil mein Vater erkrankt war, musste ich bereits einige Tage vor meinem eigenen positiven Test präventiv in die Quarantäne, war dann also noch länger raus. Das hat mich geärgert. Ich war bis dahin auf einem guten Weg.

Hat sich Ihr Bild auf die ganze Corona-Thematik durch die eigene Erkrankung verändert?

Klar, bei meinem Vater war der Verlauf deutlich schlimmer. Ich habe das Virus auch vorher nie belächelt und ernst genommen, aber wenn es einen selbst trifft oder einen im direkten Umfeld, schaut man noch mal ganz anders darauf. Den einen trifft es weniger, den anderen mehr. Deswegen ist Corona so heimtückisch.

Sie sprachen vorhin von einem Eintracht-Team ohne Starallüren. Der Personenkult von Fußballern ist Ihnen generell fremd, oder trügt dieser Eindruck?

Ich bin weit von einem Starkult entfernt und mache auch alles, um weit davon entfernt zu bleiben. Das hat für mich keine Bedeutung. Ich habe eine tolle Familie, tolle Freunde, die mich auf dem Boden halten. Das ist mir sehr wichtig, denn ich möchte später in den Spiegel schauen und sagen können: ‚Ich war nicht nur ein guter Fußballer, sondern bin auch mit den Menschen gut umgegangen.‘

Aber ist das wirklich so leicht? Ein Beispiel: Bei Ihrem letzten Gegner aus Leverkusen hat unter anderem Florian Wirtz mitgespielt, er ist erst 17 Jahre alt und wird trotzdem schon überall mit Lob überhäuft.

Ich habe gelesen, dass er gerne bei Barcelona spielen möchte. Das muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden, aber solche Aussagen würde es von mir beispielsweise nicht geben. Ich versuche im Hier und Jetzt zu sein und bin unheimlich glücklich in Frankfurt. Man braucht nicht denken, dass ich nach einem Tor und einem halben Jahr bei der Eintracht schon wieder woanders sein muss.

Vorstand Fredi Bobic zeigte sich nach Ihrer Verpflichtung dankbar, dass Sie auf relativ viel Gehalt verzichtet haben. Können Sie mal erzählen, wie die Verhandlungen abgelaufen sind?

Es gab auch andere Optionen, aber ich war komplett vom Eintracht-Paket überzeugt. Mit Fredi hatte ich gute Gespräche, mit dem Trainer auch. Der Spielstil, den er sehen möchte, gefällt mir. Und es ist sicher nicht so, dass ich mich jetzt nur noch von Brot und Wasser ernähren muss. Ich verdiene gutes Geld, das verdienen wir alle. Deswegen war der Wechsel zur Eintracht vielleicht ein bisschen untypisch in diesem Geschäft, für mich aber nur logisch. Es war eine Entscheidung, die ich gerne getroffen habe. Es macht für mich keinen Sinn, woanders viel Geld zu verdienen, dort aber unglücklich zu sein. Da bin ich nicht der Typ für. Aber das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Wenn jemand lieber viel Geld verdient und auf der Bank sitzt, dann akzeptiere ich das.

Zur Person

Amin Younes , 27 Jahre alt, ist angekommen in Frankfurt. Der Deutsch-Libanese, in Düsseldorf geboren, hat zuletzt ganz hervorragende Partien abgeliefert, gegen Leverkusen zudem sein erstes Bundesligator seit fast acht Jahren erzielt. In der momentanen Verfassung ist die wuseligen Offensivkraft aus der Eintracht-Mannschaft kaum wegzudenken. Im FR-Interview gibt sich die Leihgabe des SSC Neapel (bis 2022) aufgeräumt, angenehm bodenständig und nahbar. Für Younes, fünfmal für die deutsche Nationalmannschaft am Ball (zwei Tore), ist das eine Selbstverständlichkeit: „Ich bin ein ganz normaler Mensch und will auch so wahrgenommen werden.“ In Frankfurt fühlt er sich pudelwohl, er würde gerne länger bei der Eintracht bleiben. dur/dani

Sie haben mal erzählt, dass Ihr einstiger U-21-Nationaltrainer Horst Hrubesch Sie auch ein Stück weit geerdet hat.

Ja, wir haben ein sehr gutes Verhältnis, ich habe hohes Vertrauen zu ihm. Wenn ich mal Sorgen hatte, konnte ich immer zu ihm gehen. Und er sagte dann einmal zu mir: ‚Amin, du bist nur zwei, drei Tage in der Woche daheim. Macht es da Sinn, zwei, drei Autos zu haben?‘

Sie hatten viele bekannte Trainer: Lucien Favre, Carlo Ancelotti, Jogi Löw, um nur mal ein paar zu nennen. War Horst Hrubesch dennoch so etwas wie Ihr Mentor?

Ich hatte auch schon tolle Trainer in der Jugend, habe eine gute Ausbildung genossen. Dazu habe ich den Fußball auf der Straße gelernt, auch durch meinen Vater. Aber im Nachhinein betrachtet war Hrubesch deshalb so wichtig, weil er mir eines klargemacht hat: Dass der Sprung von der Jugend zu den Profis auch viel mit mentaler Stärke zu tun hat. Am Anfang war er auch sehr kritisch zu mir, hat viel draufgehauen, aber das war eigentlich ein Zeichen, dass er mich sehr gern hatte.

Wenn man Sie so erzählen hört, könnte man ja meinen: Profifußball und der Fußballsport an sich haben gar nicht so viel miteinander zu tun.

Profifußball hat, wie gesagt, viel mit mentaler Stärke zu tun und damit, wie man mit Rückschlägen umgeht. Von denen hatte ich auch einige in meiner Karriere, gerade in jungen Jahren. Wenn du damit nicht umgehen kannst, hast du keine Chance. Denn die Konkurrenz in Deutschland ist zu groß, dafür sind die Jungs zu gut, zu fit und zu ehrgeizig. Da fällst du dann einfach hinten runter. In der Jugend ist das was anderes, da wird dir erzählt, wie toll du bist, dass du den Unterschied machst. Aber Profifußball ist Männersport, da gibt es keinen 28- oder 30-Jährigen, der einem einfach mal so den Platz überlässt.

Sie haben mal gesagt, dass Sie den Fußball in der Jugend mehr genossen haben, weil der Druck nicht so groß ist.

Stimmt schon. Also, ich genieße auch das volle Stadion und die Atmosphäre, die internationalen Spiele oder die Champions League – das ist fantastisch. Aber wenn man nur das Spiel selbst nimmt, habe ich die Jugend mehr genossen. Warum? Weil der Profifußball schon sehr taktisch geprägt ist. Deshalb bin ich so froh, dass wir einen Fußball spielen, der den Menschen gefällt. Das ist zumindest das Feedback, das ich von Freunden oder Verwandten bekomme, die sagen: „Hey, das macht Spaß, der Eintracht zuzusehen.“ Es gibt auch Spiele in der Bundesliga, da kann man gar nicht hinschauen (lacht).

So spielen Sie ja auch Fußball: riskant, ohne doppelten Boden, munter drauflos.

Ich bereite mich natürlich auch auf die Spiele vor, aber klar ist: Bei mir ist viel Instinkt dabei, ich versuche immer, kreativ zu sein, ich spiele frei nach Schnauze. Trotzdem versuche ich in der Rückwärtsbewegung, mich taktisch diszipliniert zu verhalten und die Ordnung zu halten.

Dafür steht ja auch Trainer Adi Hütter, der Wert auf eine gute Organisation und Kompaktheit legt, aber in der Offensive den Spielern freie Hand lässt und auch Fehler zugesteht.

Definitiv. Nach vorne hin sind keine Grenzen gesetzt, aber es ist auch nicht so, dass wir da vorne nur Zirkus machen sollen. Wir sind nicht beim Fünf gegen Fünf auf dem Bolzplatz, das darf man auch nicht vergessen. Dennoch müssen wir schauen, dass wir diesen Spaß am Spiel beibehalten und, dass sich keiner ärgert, wenn mal was nicht klappt oder einer den Ball verliert. Das ist sehr entscheidend. Es soll effektiv nach vorne gehen, aber trotzdem mit einer gewissen Lockerheit und Leichtigkeit. Die haben wir im Moment. Deshalb fällt es uns zurzeit auch relativ leicht, zu Großchancen zu kommen.

Sie sagten eben, im Spiel nach vorne gebe es keine Grenzen. Kann man das für die Mannschaft auch auf die Liga projizieren?

Jetzt wollt Ihr hier was aus mir rausquetschen, okay ich mache mit: Wir greifen die Bayern an (lacht).

Alles klar, ist notiert.

Spaß beiseite. Die Frage ist berechtigt, wird oft gestellt. Ich möchte mich nicht festlegen, aber ich erlebe die Mannschaft tagtäglich, und da kann ich nur sagen: Wir sollten schon versuchen, oben dabei zu sein. Ich bin unglaublich überzeugt von der Qualität dieser Mannschaft. Aber es muss trotzdem vieles zusammenpassen. Und wir müssen einfach genau so weitermachen. Ich bin überzeugt davon, dass das der Fall sein wird. Wenn wir über die Qualität der Spieler sprechen, sollten wir Europa League spielen, und ich bin überzeugt davon, dass es sogar weiter nach oben gehen könnte.

Sie haben ja schon ein bisschen was erlebt in Ihrer Karriere, sind erfahren, führen sie jetzt in der Kabine hier das große Wort?

Wichtig ist, dass man einfach so ist, wie man wirklich ist und sich nicht verstellt. Wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich das, aber auf meine Art. Ich versuche, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, aber auch mit Lockerheit aufzutreten. Es macht keinen Sinn, etwas vorgeben zu sein, was man nicht ist. Das merken die Spieler dann auch schnell. Die Basis ist, die Leistung zu bringen. Und dann ist es automatisch, dass die Mitspieler einen mit anderen Augen ansehen oder dass man mehr Verantwortung übernimmt. Ich bin auf dem Platz kreativ und möchte das spezielle Etwas reinbringen, aber immer im Sinne der Mannschaft. Und so bin ich auch privat, ich bin für jeden da, habe zu jedem ein gutes Verhältnis, das sind alles tolle Jungs hier.

Sie wirken sehr reflektiert, vernünftig, abgeklärt. Wenn man da die alten Geschichten von Ihnen hört, erzwungene Wechsel, diese Nummer, als Sie im Dienste von Ajax Amsterdam die Einwechslung verweigerten – das scheint ein anderer Amin Younes gewesen zu sein.

Nein, ich hatte bei Ajax erfolgreiche, schöne Jahre. Nehmen wir die Sache mit der Einwechslung: Das war eine Reaktion, die so nicht passieren darf. Das darf ich so nicht machen, das darf nie passieren. Ich habe eine Vorbildfunktion für junge Spieler, für Kinder. Aber Fußball ist auch mit Emotionen verbunden, denen habe ich damals freien Lauf gelassen. Aber das hat nichts mit dem Privatmenschen Amin Younes zu tun, da bin ich immer gleich geblieben, da bin ich so, wie ich bin. Ich bin kein schwieriger Typ. Ich war bei Ajax drei Jahre, hatte vier Trainer mit denen ich super klargekommen bin und einen, mit dem es nicht so geklappt hat. So ist das im Fußball. Wenn ich nicht funktioniere, so wie sich der Verein das vorstellt, ist es normal, dass es auch mal kriselt. Wenn beide Seiten andere Erwartungen haben, die nicht erfüllt werden, kann es schon mal unangenehm werden. So ist das Geschäft, es ist nicht immer alles lieb und nett.

In Neapel lief es dann ja nicht so gut für Sie.

Man muss auch sehen, was dort für Spieler auf meiner Position gespielt haben: Lorenzo Insigne, Dries Mertens, José Callejón – das sind Weltklassespieler. Ich habe in den zwei Jahren trotzdem viel gelernt und habe bei Carlo Ancelotti auch viel spielen dürfen. Nur im letzten Jahr hat es nicht mehr so funktioniert. Ich bin so ein Typ, der dann sagt: ,Ich möchte hier weg, weil ich Fußball spielen möchte.‘ Das ist doch eigentlich was Positives, dass man sagt, ich möchte hier nicht meine Zeit auf der Bank absitzen.

Und nach 2022? Sie sind ausgeliehen, anschließend gibt es eine Kaufoption.

Ich fühle mich hier unglaublich wohl, bin glücklich, alles ist toll. Ich kann mir vorstellen, länger zu bleiben. Aber das entscheidet der Verein. Ihr wisst wie es im Fußball läuft. Prognosen kann man da nur schwer abgeben.

Interview: Ingo Durstewitz und Daniel Schmitt

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