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Alternativlose Trennung von Oliver Glasner

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Von: Ingo Durstewitz

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Tribünenplatz: Eintracht-Trainer Oliver Glasner nicht mehr mittendrin, sondern nur dabei.
Tribünenplatz: Eintracht-Trainer Oliver Glasner nicht mehr mittendrin, sondern nur dabei. © dpa

Oliver Glasner verlässt Eintracht Frankfurt zum Saisonende. Die Entscheidung ist richtig. Der Coach hat die Mannschaft verloren, das Tischtuch mit Sportvorstand Krösche ist zerschnitten.

Es gibt nicht wenige Menschen im Dunstkreis von Eintracht Frankfurt, die es als nahezu absurd empfinden, einen Trainer vorzeitig aus seinem Arbeitsvertrag zu entlassen, der dem Verein zu seinem größten Triumph nach fast einem halben Jahrhundert verholfen und ihn nun ins nationale Pokalfinale geführt hat. So einer ist sakrosankt, so einen tastet man nicht an. Fertig. Aus.

Oliver Glasner, um den es hier geht, genießt bei vielen Frankfurter Fans nach wie vor einen extrem hohen Stellenwert, das Unverständnis über die Trennung im Sommer ist groß. Erst kürzlich feierten sie ihn ab, weil er nach dem Halbfinalsieg in Stuttgart einen doppelten Diver vor der Kurve hingelegt hat. Die Verantwortlichen indes waren ob der Selbstinszenierung, defensiv formuliert, irritiert und perplex.

Denn zur Wahrheit gehört ja auch: Die Eintracht hat einen beispiellosen Absturz hingelegt, spielt gerade die Rückrunde der Schande 2.0. Glasner konnte in der Liga zum zweiten Mal hintereinander den freien Fall nicht verhindern. Das fällt in den Verantwortungsbereich des Trainers – genauso wie der Triumph von Sevilla im Mai 2022 und das Finale von Berlin im Juni 2023. Diese Erfolge halten ihn überhaupt noch im Amt.

Der Diver von Stuttgart ist nur ein Beispiel für die heterogene Beziehung zwischen dem Fußballlehrer auf der einen und den Verantwortlichen auf der anderen Seite. Das Tischtuch ist zerschnitten. Die Scheidung im Sommer unausweichlich, ja alternativlos. Sportvorstand Markus Krösche und Glasner haben keinen gemeinsamen Nenner gefunden, die Beziehung ist nachhaltig gestört, obwohl es keine persönliche Differenzen gibt. Aber inhaltliche. Gleich mehrfach hat der Trainer öffentlich die Qualität des Kaders infrage gestellt, den der Manager zusammengestellt hat. Der davon genervte Krösche erhöhte verbal den Druck auf den Fußballlehrer, hätte aber intern für klare Verhältnisse sorgen müssen. Das Ganze ist einfach zu lange einfach laufen gelassen worden. Mit bekanntem Ausgang.

Mannschaft verloren

Auch der Trainer verspürt keine Lust mehr auf die Eintracht, der tiefe Riss durch den Richtungsstreit zwischen Vorstand und Coach ist nicht mehr zu kitten. Hier die Forderung: Junge Spieler entwickeln, um sie teuer zu verkaufen. Dort die Forderung nach gestandenen, besseren Profis aus einer anderen Kategorie, mit denen sich hohe Ziele einfacher erreichen lassen. Das passt nicht zusammen. Weder in der Gegenwart noch in der Zukunft.

Ein weiteres entscheidendes Kriterium bei der Gesamtbewertung ist das Verhältnis zwischen dem Trainer und der Mannschaft. In diesem Fall konstatierte die Sportführung: Der Coach habe die Mannschaft verloren, sie folge ihm nicht mehr. Gerade die Führungsspieler seien spürbar auf Distanz zu ihrem direkten Vorgesetzten gegangen. Dann muss man handeln.

Geschichte wiederholt sich: Glasners Abschied aus Wolfsburg ging ebenfalls nicht geräuschlos vonstatten. Auch dort hat er sich mit dem Manager überworfen, auch dort war er in der Mannschaft nicht gerade beliebt.

Insofern ist es nicht ohne Risiko, dem Trainer, jetzt auch noch in der Lame-Duck-Rolle, die letzten Spiele und das große Finale zu geben. Die Stimmung kann mit jeder verlorenen Partie mieser werden, und was würde nach einem, sagen wir, 0:3 gegen Mainz passieren? Das wäre eine schwere Hypothek für Berlin.

Andererseits ist es richtig und verdient Respekt, dem verdienten Fußballlehrer die Chance nicht zu nehmen, sich mit zwei Titeln und durchs große Tor aus Frankfurt zu verabschieden. Es ist eine Frage des Stils und des Anstands – eine Lösung auf die Eintracht-Boss Axel Hellmann drängte, andere Entscheidungsträger hätten den Trainer lieber sofort von seinen Aufgaben entbunden. Doch Glasner hat dem Verein den Europapokal geschenkt – so einen jagt man nicht kurz vor Saisonende vom Hof. Er hat sich einen würdigen Abgang verdient.

Intern hofft man darauf, dass die Mannschaft nun von einer Last befreit ist und sich noch mal aufrafft. Muss nicht funktionieren, kann aber. Vor fünf Jahren stand der Abgang von Niko Kovac ebenfalls fest – er verabschiedete sich mit dem Pokalsieg in Berlin.

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