Almamy Touré: Bruder Sorglos

Die Frankfurter Systemänderung kommt Almamy Touré gerade recht - jetzt muss er seinen Leichtsinn als rechter Verteidiger bändigen.
Eintracht-Trainer Adi Hütter hatte eine ganze Menge zu sagen nach dem gleichermaßen überraschenden wie wichtigen Sieg gegen Hoffenheim am Samstag. Die Video-Nachlese der Partie in Sinsheim inklusive eines ersten lockeren Anschwitzens am Dienstag in der Mixed Zone in den Katakomben des Frankfurter Stadions nahm gut 70 Minuten in Anspruch. Erst dann trabten die Frankfurter Fußballer in kompletter Mannschaftsstärke - mit dem zuletzt erkrankten Makoto Hasebe und dem angeschlagenen Daichi Kamada - auf den Trainingsplatz, wo sie schon von einer kleinen Hundertschaft treuer Kiebitze empfangen wurden, die mehr als eine Stunde in der Kälte ausgeharrt hatten.
Mit dabei war natürlich auch Almamy Touré, der sich ein klein wenig unerwartet nach der Systemumstellung in der Viererabwehrkette einen Platz gesichert hatte. Seit fast einem Jahr ist der Franzose, geboren in Bamako in Mali, jetzt schon in Frankfurt, auf den letzten Drücker war er Ende Januar des vergangenen Jahres zu den Hessen gekommen. Sein Transfer ging ein wenig unter, Martin Hinteregger und Sebastian Rode waren die deutlich prominenteren Zugänge. Außerdem war der Verteidiger gleich verletzt, eine Oberschenkelblessur, die er sich bei seinem vorherigen Klub, AS Monaco, zugezogen hatte, hatte ihn erst einmal auf Eis gelegt. Prompt wurde der Defensivspezialist nicht für die Europa League gemeldet, Touré verpasste somit die internationalen Auftritte in Europa. Mittlerweile fühlt sich Touré aber längst integriert. „Ich habe meine Orientierung gefunden“, und er sagt, es falle ihm nicht schwer, diesen Satz zu sagen: „Ich bin ein Frankfurter.“
Gegen Hoffenheim hat Almamy Touré ein seriöses Spiel abgeliefert. Sicher, in der zweiten Halbzeit kamen die Kraichgauer mitunter gefährlich über seine Seite, aber er bildete mit Timothy Chandler auf dem rechten Flügel ein ordentlich harmonierendes Pärchen. „Wir ergänzen uns prima.“ Und wenn er, Touré, mit Dampf nach vorne marschiere, sichere ihn Chandler defensiv ab - und umgekehrt. Um ein Haar hätte der 23-Jährige gar sein erstes erzielt, doch sein feiner Seitfallzieher wurde abgeblockt. Ein Treffer ist Touré, der aus einer fußballbegeisterten Familie stammt - Brüder und Schwestern spielen alle - bislang noch nicht für die Eintracht gelungen, dabei hat er in der Jugend im Angriff gespielt, zwei Vorlagen in 14 Pflichtspielen stehen bislang bei ihm in der Bilanz.
Der Startelfeinsatz von Touré zum Rückrundenstart im Kraichgau war auch deshalb nicht direkt zu erwarten gewesen, weil dem Franzosen in jüngster Zeit der eine oder andere Lapsus unterlaufen war. Er gilt ein bisschen als Bruder Leichtfuß, als einer, der zuweilen abschaltet, zu viel Risiko geht. In unschöner Erinnerung bleibt sein sinnfreies Solo auf Schalke, in dessen Folge ihm der Ball abgeluchst wurde, und dieser Ballverlust führte prompt zum spielentscheidenden 0:1. Manch Bolzen streut der 23-Jährige, vor den Toren Paris groß geworden, schon in sein Spiel ein, im Testduell gegen Hertha BSC im Trainingslager in den USA verursachte er übermotiviert einen Foulelfmeter. Trainer Hütter hat seinen Verteidiger deswegen kürzlich zur Brust genommen. Diese Unachtsamkeit müsse er dringend abstellen. „Ich weiß, das sind meine Baustellen, an denen ich arbeiten muss, diese Mängel muss ich abstellen“, sagt Touré selbstkritisch, er wisse, dass er die Konzentration hochhalten müsse, im Spiel wie im Training. „Da ist Luft nach oben.“
Trotz dieser Unzulänglichkeiten, die freilich auch seinem jugendlichen Alter geschuldet sind, zählt Touré sicherlich zu den Gewinnern der jüngsten Taktikänderung. Zumindest gibt es in dem neuen System für ihn gleich mehrere Optionen, er kann rechter Verteidiger spielen und im Zentrum rechts. Diese Positionen hat er drauf, sagt er. „Ich bin in einer Viererkette ausgebildet worden“, erzählt er, „bei den Profis habe er rechter Außenverteidiger gespielt und bei der Eintracht in der Dreierkette rechts“. All das sei für ihn kein Neuland. Die Umstellung sei aus seiner Sicht nötig gewesen, um die erforderliche Kompaktheit herzustellen.
Darüber hinaus verfügt er über eine mehr als solide Technik, für einen Defensivfacharbeiter ist sie sogar überdurchschnittlich gut. Das rührt daher, dass er als Jugendlicher meist offensiv unterwegs war, erst in Monaco sei er umgeschult worden.
Am kommenden Samstag gegen RB Leipzig wird diese neue Kompaktheit auf eine erste ernsthafte Probe gestellt. Leipzig, das weiß Touré, werde stärker sein als zuletzt die TSG Hoffenheim. Und das Team der Sachsen kennt der französische U-21-Nationalspieler zudem bestens. Allein vier Landsleute spielen bei RB Leipzig, allesamt ausgesprochen gute Fußballer, wie er findet. Er habe zwar noch nicht gegen sie gespielt, „aber wir kennen uns“. Gegen Leipzig werde man eine Schippe drauflegen müssen, aber der Sieg gegen Hoffenheim habe „unser Selbstvertrauen wachsen“ lassen. Zudem haben „auch wir unsere Waffen“, nämlich Kompaktheit, Aggressivität, Effizienz, findet Touré. Und er will und muss seinen Leichtsinn in den Griff bekommen.