Kamada vor dem Absprung bei Eintracht Frankfurt
Der Japaner spielt nächste Saison wohl für Borussia Dortmund. Nach dem Rückschlag in der Champions League will sich die Eintracht derweil in Leipzig beweisen.
Frankfurt – Der Frankfurter Trainer Oliver Glasner ist, was lag näher, selbstverständlich gefragt worden, ob die 0:2-Niederlage am Dienstagabend in der Champions League Wirkungstreffer gezeigt hätte bei seinem Team. Es war doch ziemlich ernüchternd, so deutlich die Grenzen aufgezeigt zu bekommen, so ernüchternd, dass mancher Beobachter schon unkte, diese Schlappe könnte der Mannschaft womöglich einen vorübergehenden Knacks versetzt haben. Zumindest zog anderntags so eine gewisse Katerstimmung durch den Stadtwald, die Köpfe waren unten, gestern bekamen die geschlagenen Recken einen freien Tag extra. Aspirin, sagte Oliver Glasner am Donnerstag, habe man allerdings nicht gebraucht.
Und der Fußballlehrer befürchtet auch nicht, dass die Hinspielniederlage in der Königsklasse gegen ein Weltklasse-Ensemble des SSC Neapel Eintracht Frankfurt besonders zersaust hat. Er, Glasner, glaube nicht, dass „uns das aus der Bahn wirft“, es gehe ja sofort weiter, wie im Zeitraffer. Morgen schon ist die nächste Hürde aufgestellt, auswärts bei RB Leipzig (15.30 Uhr/Sky), einem Team mit „außerordentlicher Qualität und einem wahnsinnig guten Kader“. Aus Frankfurter Sicht geht es aktuell in erster Linie darum, ordentlich mit der Niederlage gegen Neapel umzugehen. Man könne „alles anzweifeln“, oder man erörtere die Frage nach den Gründen. Und justiere dann gegebenenfalls nach. Glasner ließ keinen Zweifel daran, dass er dies zu tun gedenkt. Ohnehin suche er nach jeder Schlappe die Schuld zuerst bei sich: „Ich habe zuletzt sehr viel Hirnschmalz verwendet, habe über mich nachgedacht und mich hinterfragt: Was hätte ich anders, besser machen können.“
Eintracht Frankfurt Oliver Glasner zeigt Verständnis
Aus Fehlern lernen bedeutet dies, und einige der Themen, die Eintracht Frankfurt in naher Zukunft zu schultern habe, sind laut Glasner offensichtlich: Zu viele leichte Ballverluste, unter Druck „verlieren wir die Gelassenheit“. Und oft, gerade nach Rückständen, wolle man zu viel, da „überpacen wir, werden unruhig, wollen zu schnell eine Antwort zeigen und laufen mit fünf, sechs Mann nach vorne“. Und oft genug in einen Konter. Das sei nicht zielführend.

Und trotzdem bittet der Österreicher um Verständnis: Neapels Stürmerstar Victor Osimhen beispielsweise spielt seit drei Jahren auf diesem Niveau, Aurelio Buta, der seine liebe Mühe hatte in dieser Begegnung und auch einen Elfmeter verursachte, machte sein allererstes Champions-League-Spiel nach einjähriger Verletzungspause. Das liegen Welten dazwischen.
Der Coach hat dessen ungeachtet nicht vor, nach der Lehrstunde am Dienstag alles infrage zu stellen. „Es ist doch wie in der Schule: Wenn ich nur Einser schreibe und dann eine Arbeit verkacke, bin ich doch auch nicht gleich ein Fünfer-Schüler.“ Eintracht Frankfurt habe zuletzt sehr viel richtig gemacht, war sozusagen ein echter Streber. „Wir haben sehr viel Einser geschrieben und jetzt einmal verkackt.“ Daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Bolzen zu korrigieren, sei das Gebot der Stunde. Und schon in Leipzig, beim Tabellenfünften, können „wir wieder ganz schnell für positive Gefühle sorgen“. Eines sei allemal gewiss: „Wir werden uns nicht verstecken.“
Einer, der sich jetzt in der Bundesliga komplett verausgaben könne, wie Glasner am Dienstag sagte, ist Rotsünder Randal Kolo Muani. „Kopf hoch und weiter geht’s“, habe Glasner seinem Mittelstürmer geraten, mehr nicht, aufbauende Gespräche brauche die Frankfurter Lebensversicherung im Sturm nicht. Er müsse auch an seiner Spielweise nichts ändern. „Zwei Tore in Leipzig, und die Rote Karte ist schnell vergessen.“ Das mag sein, aber Mitte März in Neapel wird der beste Angreifer der Eintracht schon schmerzhaft fehlen. Ansonsten hätten alle Mann die 90 intensiven Minuten in der Champions League körperlich gut verkraftet, einzig der Langzeitverletzte Eric Dina Ebimbe steht nach seiner OP am Syndesmoseband weiterhin nicht zur Verfügung.
Ein wenig Sorge bereitet dem 48 Jahre alten Coach neben der nicht so sattelfesten Abwehr auch eine recht einfallslose Herangehensweise bei offensiven Standards. Da „sind wir nicht so gut“, räumte der Coach ein. Gefahr strahle man da nicht gerade aus. „Wir müssen kreativer werden.“
Wie erwartet: Daichi Kamada verlässt Eintracht Frankfurt
Einer, der in aller Regel kreativ unterwegs ist und am Schwungrad dreht, ist Daichi Kamada – wird das allerdings sehr, sehr wahrscheinlich nur noch ein gutes Dutzend Spiele lang für die Eintracht tun, denn nach FR-Informationen soll sich der 27 Jahre alte Japaner endgültig über eine Anstellung beim Liga-Konkurrenten Borussia Dortmund einig sein. Beim Tabellenzweiten soll der Mittelfeldspieler einen Fünfjahresvertrag erhalten und kolportierte 5,5 bis sechs Millionen Euro verdienen, mehr als das Doppelte als bei den Hessen. Zudem dürfte, da Kamada ablösefrei gehen kann, ein dickes Handgeld ausgehandelt worden sein.

Viel Zaster also für den Japaner, da hat auch der treuherzige Versuch von Benjamin List, eingefleischter Eintracht-Fan und Nobelpreisträger aus Frankfurt, nichts mehr ausrichten können. List würde es das Herz brechen, hatte er in dieser Woche gesagt, wenn Kamada den Klub verlassen würde. Für einen Verbleib würde der hochdekorierte Wissenschaftler, Direktor am Max-Planck-Institut in Mülheim an der Ruhr, sogar seine Medaille hergeben. 2021 hatte Benjamin List (gemeinsam mit einem Kollegen) für seine Arbeiten zur asymmetrischen Organokatalyse den Nobelpreis für Chemie erhalten. Immerhin kann der 55 Jahre alter Doktor seinen Preis nun behalten – ist ja auch was wert.
Am Rande sei erwähnt, dass einst Flügelmann Marius Wolf, der sich 2018 dem BVB angeschlossen hat, bereits ein Gehalt von fünf Millionen Euro kassiert haben soll. Auch das: Welten. (Thomas Kilchenstein)