Eintracht Frankfurt: Wie einst im Mai 2021

Machtkampf der Bosse Hellmann und Holzer, ein wütender Trainer Glasner: Eintracht Frankfurt zerlegt sich gerade mal wieder selbst.
Dieser Tage hat sich der angesehene Fußballtrainer Oliver Glasner mal wieder zu seiner Zukunft bei Eintracht Frankfurt äußern sollen. Der 48-Jährige macht das nur noch sehr ungern, mit einigem Widerwillen. Das ist fühlbar. „Ich weiß nicht, wer so nervös ist“, sagte er also. „ Ich habe noch 16, 17 Monate Vertrag und keinem gesagt, dass ich den Klub verlassen will.“ Der Österreicher hat auf das leidige Thema schlichtweg keine Lust mehr. „Alles, was ich sage, wird mir nicht geglaubt – und deswegen sage ich gar nichts dazu.“ Auch gut.
Glasner geht sogar soweit, dass er die bei der Eintracht keimende Unruhe den Medien in die Schuhe schiebt. „Vielleicht sollte man sich mal Gedanken machen, ob es klug ist, von medialer Seite so zu agieren.“ Alldieweil: „Es gibt überhaupt keinen Grund für Nervosität, die wird irgendwie reingetragen.“ Eine doch leicht verschobene Sicht der Dinge.
Es geht schließlich bei der Bewertung der Großwetterlage in Frankfurt nicht nur um Oliver Glasner und die aktuelle Misere seiner Mannschaft, sondern um sehr viel mehr, auch um einen ausgewachsenen Machtkampf an der Vereinsspitze. Momentan wirkt das Gebilde Eintracht Frankfurt wackelig, merkwürdig fragil. So ein bisschen erinnert es an das Frühjahr 2021, als auf einen Schlag die gesamte Sportliche Leitung ihren Abschied ankündigte und auf den letzten Metern die Champions League verspielt wurde. Auch damals zerlegte sich der Klub quasi selbst, demontierte sich von innen heraus. Ein Vakuum an zu vielen wichtigen Stellen, ungeklärte Zukunftsfragen – all das führte zu einem Zustand der permanenten Aufgeregtheit oder Ohnmacht – je nach Sichtweise. Nun, zwei Jahre später, gibt es Anzeichen dafür, dass sich Geschichte wiederholt. Die Eintracht bebt an vielen Ecken.
Bleiben wir zunächst bei Coach Glasner. Der Österreicher selbst war es, der mit seiner grundsätzlichen Schelte nach der Niederlage bei Union Berlin seinen Abwehrspielern die Qualität auf höchstem Niveau abgesprochen und anschließend eine seltsame Pressekonferenz abgehalten hat. Beides aus dem Frusterlebnis einer vermeidbaren 0:2-Pleite heraus, trotzdem nicht zielführend. Zudem: Dissonanzen über die Zusammenstellung des Kaders und der externen Kommunikation in puncto Saisonziel sowie einzelner Personalien zwischen ihm und Sportvorstand Markus Krösche sind keine Erfindung, sondern verbrieft. Grundsätzlich arbeiten beide nicht schlecht zusammen, sie schätzen sich auch, doch diese Konflikte sind hinterlegt.
Und: Glasner hat ein Angebot zur Verlängerung seines Anstellungsvertrags über das Jahr 2024 hinaus nicht angenommen, eine gut dotierte Offerte, die ihm deutlich mehr als 2,5 Millionen Euro einbringen kann. Glasner bittet um Bedenkzeit. Das ist legitim, öffnet aber Spekulationen Tür und Tor. Zumal durchgesickert ist, dass der englische Topklub Tottenham Hotspur sich bei Glasner-Berater Andreas Sadlo nach dem Erfolgstrainer erkundigt hat.
Glasner pokert
Im internen Eintracht-Zirkel glaubt der eine oder andere sehr wohl, dass Glasner seinen Abgang vorbereitet. Andere sind der Meinung, der Riedauer pokert, spielt auf Zeit, um die Entwicklung auf dem Markt und bei seinem aktuellen Arbeitgeber zu beobachten. Glasner, das ist bekannt und nachvollziehbar, möchte eine Mannschaft anleiten, mit der er die Chance hat, wieder um die internationalen Plätze mitzuspielen und sie nicht neu aufzubauen. Die potenziellen Neuzugänge (Omar Marmoush aus Wolfsburg, William Pacho aus Antwerpen, Houssem Aouar aus Lyon) und Kandidaten (Konstantinos Mavropanos aus Stuttgart, Christoph Baumgartner und Dennis Geiger aus Hoffenheim) gefallen dem Coach jedenfalls.
Manager Krösche ist aktuell noch ziemlich entspannt, lässt sich nicht treiben oder unter Druck setzen. Aber er ist gut beraten, in absehbarer Zeit eine bindende Entscheidung seines Coaches einzufordern – zumindest für die neue Saison.
Die Eintracht kennt sich mit fahnenflüchtigen Trainern aus, die Glasner-Vorgänger Niko Kovac und Adi Hütter verließen den Verein mit einigen Nebengeräuschen und hinterließen zerbrochenes Porzellan. Kovac versöhnte die Menschen zumindest mit dem Pokalsieg in seinem letzten Spiel als Eintracht-Trainer. Es gilt freilich: Hängepartien und Verantwortliche auf dem Sprung sind dem Erfolg meist nicht zuträglich.
Oliver Glasner ist nicht vorzuwerfen, dass er nicht mit jeder Faser den Verein lebt. Natürlich strebt er mit der Mannschaft das Maximale an, das treibt ihn an. Doch er strahlt nicht mehr die Ruhe aus, reagiert schon mal emotional, weil er sein Team zurzeit nicht aufs Gleis gesetzt bekommt und den Hebel nicht gefunden hat, um die Maschinerie wieder ins Laufen zu bringen. Das nervt den Trainer immens. Vielleicht aber wäre es mal an der Zeit, etwas Neues zu probieren und Strukturen aufzubrechen. Und die Spieler an die Grundtugenden zu erinnern, die das Team so einzigartig und stark gemacht haben: Das Unbedingte ist zuletzt auf der Strecke geblieben. Die letzte Entschlossenheit und Gier fehlt. Auch die Geschlossenheit.
Nicht nur auf dem Feld, auch auf der Führungsebene. Ruhe und Kontinuität an der Spitze waren ein Erfolgsfaktor der vergangenen Jahre, die innere Stabilität war der Grund dafür, dass der Verein viele Häutungen durchgemacht und viele Umbrüche überstanden hat. Das ist der große Unterschied zu 2021, als „nur“ die Sportführung ging.
Nun aber wackelt das gesamte Konstrukt, das Fundament bröckelt. Der Machtkampf zwischen Vorstandssprecher Axel Hellmann und Aufsichtsratschef Philip Holzer belastet den Verein und sorgt für Unruhe. Die Dissonanzen sollten im Sinne des großen Ganzen nachhaltig ausgeräumt oder durch personelle Konsequenzen beendet werden. Dieser Schwebezustand gefährdet die großen Ziele des Gesamtvereins mit der Bundesligamannschaft an der Spitze.