Corona-Krise: Hilfe für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen

In der Corona-Krise sind alte Menschen am stärksten gefährdet, doch die Pandemie erschwert ihre Betreuung. Was kann man tun? Tipps einer Expertin.
- Das Coronavirus Sars-CoV-2 gefährdet ältere Menschen am stärksten
- Doch ihre Betreuung ist schwierig, da andere Menschen sie anstecken könnten
- Angehörige müssen zu Hause bleiben. Was kann man tun? Tipps einer Expertin
Das Coronavirus gefährdet die Ältesten am stärksten, doch der Ausnahmezustand in der Corona-Pandemie erschwert ihre Betreuung. Pflegedienste können nicht wie gewohnt arbeiten, Angehörige müssen zu Hause bleiben. Was kann man tun? Pflegeexpertin Sandra Gratzkowski gibt Ratschläge.
Frau Gratzkowski, ich habe einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt. Bisher hat sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht zu einer Begutachtung angemeldet. Finden derzeit Begutachtungen in der Häuslichkeit statt?

Erstanträge auf Leistungen der Pflegeversicherung sowie Höherstufungsanträge können wie gewohnt bei der eigenen Pflegekasse gestellt werden. Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) finden derzeit aber nicht in der eigenen Häuslichkeit oder dem Pflegeheim statt. Anstelle des persönlichen Termins vor Ort erfolgt eine Begutachtung durch eine Kombination aus Sichtung der Aktenlage und einem Interview (telefonisch oder digital). Hierzu sendet der MDK vorab einen Fragebogen an die antragstellende Person. Es ist ratsam diesen Fragebogen auszufüllen und an den MDK zurückzusenden. Bei Bedarf kann auch ein Pflegetagebuch mitgesendet werden. Dieses Vorgehen ist vorerst bis zum 30.09.2020 befristet.
Corona-Krise in der Pflege: Ambulanter Pflegedienst
Ich bin in den Pflegegrad 2 eingruppiert und beziehe Pflegegeld. Bisher hat mich einmal im Halbjahr ein ambulanter Pflegedienst besucht und den Beratungseinsatz durchgeführt. Der ambulante Pflegedienst hat mir meinen nächsten Termin abgesagt. Wird mir nun mein Pflegegeld gekürzt? Wie kann ich den Beratungseinsatz nachweisen?
Aufgrund der derzeitigen Situation verzichten die Pflegekassen vorerst bis zum 30. September 2020 vollständig auf die Durchführung und den Nachweis der Beratungseinsätze von einem ambulanten Pflegedienst. Der Pflegegeldanspruch wird in dieser Zeit nicht gekürzt. Falls Ihr ambulanter Pflegedienst ihnen einen Beratungseinsatz per Telefon oder digital anbietet, können sie dies gerne in Anspruch nehmen. Der ambulante Pflegedienst sendet dann wie gewohnt den Beratungsnachweis an Ihre Pflegekasse. Dies ist jedoch aktuell nicht zwingend notwendig. Die Aussetzung des Beratungseinsatzes ist bis zum 30.09.2020 befristet.
Corona-Krise in der Pflege: Ambulanter Pflegedienst geht nicht mehr einkaufen
Ich gehöre zur Risikogruppe und möchte derzeit nicht selbst einkaufen gehen. Bisher hat dies mein ambulanter Pflegedienst übernommen und mit der Kasse abgerechnet. Der ambulante Pflegedienst bietet das aber derzeit nicht mehr an. Welche Möglichkeiten gibt es, damit ein Anbieter für mich einkaufen geht und wo finde ich solche Anbieter?
Sie können sich an Organisationen, deren Angebote nach §45b SGBXI anerkannt sind, wenden. Hier gibt es Anbieter, die Angebote zur Unterstützung im Alltag sowie hauswirtschaftliche Hilfen wie zum Beispiel Einkäufe anbieten. Dieses Angebot können die Anbieter dann bei einem vorhandenen Pflegegrad mit Ihrer Pflegekasse über den Entlastungsbetrag in monatlicher Höhe von 125,00 Euro abrechnen. Eine Übersicht solcher Organisationen kann im Internet über Suchportale abgerufen werden oder bei der Pflegekasse oder den örtlichen Pflegestützpunkten erfragt werden. Personen bei denen kein Pflegegrad vorliegt, können sich gerne an Ihre zuständige Gemeinde/Kommune wenden. Diese haben Informationen zu Angeboten und Initiativen zur Unterstützung von hilfsbedürftigen Bürgerinnen und Bürgern während der Corona-Krise. In Frankfurt am Main sind diese unter www.frankfurt.de zu finden oder können auch telefonisch bei den Sozialrathäusern oder dem Pflegestützpunkt erfragt werden.
Corona-Krise in der Pflege: Ambulanter Pflegedienst hat Versorgung eingestellt
Corona-Sprechstunde
Die Corona-Krise hat das Leben schlagartig verändert. Das bringt viele Probleme und Herausforderungen mit sich. In der Corona-Sprechstunde der Frankfurter Rundschau beantworten Expertinnen und Experten Fragen der Leserinnen und Leser - jeden Tag zu einem anderen Thema. Stellen auch Sie Ihre Frage.
Heute zu Gast: Sandra Gratzkowski, Mitarbeiterin am Pflegestützpunkt Frankfurt.
Künftige Themen und Gäste:
Alle weiteren Sprechstunden sowie Sprechstunden zum Nachlesen finden Sie auf unserer Übersichtsseite.
Meine Mutter wurde bisher von einem ambulanten Pflegedienst versorgt. Dieser hat aufgrund der Corona-Krise nun vorübergehend die Versorgung eingestellt und ich finde keinen neuen ambulanten Pflegedienst. Ich muss die Versorgung in dieser Zeit selbst übernehmen. Da ich berufstätig bin, stellt dieses für mich ein großes Problem dar. Was kann ich tun?
Sie können als pflegende Angehörige über das Pflegezeitgesetz im Rahmen der „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung" bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernbleiben. Dies ist zum Beispiel möglich, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Der Ausfall der üblichen pflegerischen Versorgung wie zum Beispiel der Wegfall des ambulanten Pflegdienstes oder die Schließung der Tagespflegeeinrichtung ist ebenfalls ein Akutereignis und ermöglicht es, die kurzzeitige Arbeitsverhinderung in Anspruch zu nehmen. In diesen zehn Tagen werden Sie vom Arbeitgeber ohne Lohnfortzahlung von der Arbeit freigestellt. Sie bekommen als Lohnersatzleistung das Pflegeunterstützungsgeld gezahlt, das den Entgeltausfall weitgehend ausgleicht. Das Pflegeunterstützungsgeld wird jedoch nur auf Antrag gewährt. Den Antrag müssen Sie bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person stellen. Hierzu benötigen Sie unter anderem folgende Unterlagen: Antrag zum Pflegeunterstützungsgeld, ärztliche Bescheinigung, Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers. Bei Bedarf können im Anschluss an die kurzfristige Arbeitsverhinderung weitere Freistellungen nach dem Pflegezeit- oder Familienpflegezeitgesetz beantragt werden. Diese Freistellung erfolgt jedoch ohne Lohnausgleichszahlung durch die Pflegekasse des Pflegebedürftigen. Weitere Informationen und Beratungen hierzu bieten Pflegekassen oder die örtlichen Pflegestützpunkt an.
Corona-Krise: Was tun, wenn das Pflegeheim wegen Corona schließt?
Angenommen, das Pflegeheim meiner Eltern muss wegen Corona schließen, was geschieht dann mit meinen Eltern?
Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, wesentliche Beeinträchtigungen der Leistungserbringung - zum Beispiel Personalausfall - und die damit einhergehende Unterversorgung bei einer Pflegekasse zu melden. Wenn diese Meldung erfolgt, müssen die zuständigen Stellen gemeinsam mit dem Pflegeheim erforderliche Maßnahmen treffen, wie zum Beispiel der flexible Personaleinsatz aus anderen Einrichtungen wie Tagespflegeeinrichtungen. Somit soll die weitere Versorgung in den betroffenen Pflegeheimen sichergestellt werden.
Corona-Krise: Die Eltern aus dem Pflegeheim nehmen? Wie ist die Rechtslage?
Nach den Todesfällen in Wolfsburg möchten wir meine Mutter vorübergehend aus dem Pflegeheim nehmen und sie bei uns betreuen. Das Heim will das nicht zulassen. Haben wir dazu das Recht? Können wir den Platz im Pflegeheim verlieren?
Im Gesetz ist geregelt, dass bei vorübergehender Abwesenheit von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr (§87a SGBXI) der Pflegeplatz in einem Pflegeheim freizuhalten ist. Jedoch kommt es hier für das Pflegeheim zu finanziellen Ausfällen, da die Pflegekasse bei einer Abwesenheit von mehr als drei aufeinanderfolgenden Tagen nicht den kompletten täglichen Pflegesatz an die Pflegeeinrichtung zahlt und die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung ebenfalls gekürzt werden.
Unser Vater muss ins Pflegeheim. Können wir Heime besichtigen?
Es gelten bundesweit in Pflegeeinrichtungen weitreichende Besuchsverbote. Ob dies auch für Beratungsgespräche für Interessenten gilt, kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich würde Ihnen raten, dass Sie sich direkt mit den Pflegeheimen in Verbindung setzen, ob diese neue Bewohner aufnehmen und wie der Ablauf sich gestaltet. Sie können vorab auch eine Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Diese ist zeitlich begrenzt auf acht Wochen. Sie können im Anschluss an die Kurzzeitpflege ein Pflegeheim zur vollstationären Pflege aussuchen und vorab besichtigen.
Corona-Krise: Alter Mann nach der Operation versorgen
Mein Schwager ist 80 Jahre alt und musste notoperiert werden. Die Ärzte im Krankenhaus haben signalisiert, dass sie ihn so bald als möglich entlassen werden. Ich könnte ihn mit Essen versorgen, aber ich denke, er wird viel mehr Hilfe als das Essen benötigen. Er lebt alleine hier in der Region. Was schlagen Sie vor?
Falls Ihr Schwager sich noch im Krankenhaus befindet, können Sie sich an den Sozialdienst des Krankenhauses wenden. Dieser ist behilflich, die häusliche Versorgung vor der Entlassung abzuklären und gemeinsam mit Ihnen zu organisieren. Hierzu zählt zum Beispiel der Eilantrag auf Leistungen der Pflegeversicherung, die Organisation eines ambulanten Pflegedienstes für Hilfestellungen bei der Körperpflege/Hauswirtschaft und gegebenenfalls die Übernahme der Wundversorgung. Falls Ihr Schwager bereits entlassen wurde, können sie sich selbst an einen ambulanten Pflegedienst wenden oder an einen Anbieter für hauswirtschaftliche Hilfen. Die eigene Pflegekasse, die örtlichen Pflegestützpunkte oder auch das Sozialamt können Ihnen Adressen nennen und eine weiterführende Beratung anbieten.
Corona-Krise: Was tun, wenn polnische Pflegekraft nicht einreisen darf?
Wie kann ich die Betreuung meines 91-jährigen dementen Vaters sicherstellen, der derzeit von einer polnischen Pflegekraft betreut wird, wenn deren Ablösung nicht einreisen kann oder darf? Ich wohne weit entfernt und habe Kinder zu versorgen. Ich könnte also höchstens kurzzeitig eine Betreuungslücke schließen.
Wenn Sie die polnische Pflegekraft über eine Agentur buchen, rate ich Ihnen, sich an diese zu wenden und abzuklären, ob diese derzeit weitere Kräfte in Deutschland beschäftigt haben oder die derzeitige Pflegekraft ihren Aufenthalt verlängern kann. Weiter können Sie sich vor Ort an ambulante Pflegedienste wenden, die sich zum Beispiel auf eine Mehrstundenbetreuung spezialisiert haben. Weiter können sie sich an Pflegeheime wenden und nachfragen, ob diese derzeit noch Kurzzeitpflegeplätze anbieten. Für die Zeiten, in denen Sie persönlich die Pflege ihres Vaters übernehmen, rate ich Ihnen, die kurzfristige Arbeitsverhinderung gegenüber der Pflegekasse des Vaters geltend zu machen.
Weitere Fragen und Antworten finden Sie im Kommentarbereich
Lesen Sie jetzt im Kommentarbereich nach, welche Fragen Leserinnen und Leser noch hatten. Vielleicht finden Sie dort auch auf Ihre Frage eine Antwort.