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Coronavirus und die Statistik: Was  die Zahlen sagen – und was nicht

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Von: Bascha Mika

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Neue Sitzordnung am Hamburger Flughafen: Vorbeugen ist besser als Optimieren, sagt auch Gerd Gigerenzer.
Neue Sitzordnung am Hamburger Flughafen: Vorbeugen ist besser als Optimieren, sagt auch Gerd Gigerenzer. © Christian Charisius/dpa

Der Psychologe und Risiko-Experte Gerd Gigerenzer über die Mathematik der Ungewissheit und wie Statistiken zu falschen Entscheidungen führen können.

Gerd Gigerenzer ist Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin, seit 2020 an der Universität Potsdam sowie Gründer und Gesellschafter von Simply Rational – Das Institut für Entscheidung. Er war vorher unter anderem Direktor des Zentrums „Adaptive Behavior and Cognition“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung München sowie Professor an der University of Chicago.

Herr Gigerenzer, womit beschäftigt sich ein Risiko-Experte wie Sie in einer risikoschwangeren Zeit wie jetzt?

(Lacht) Er gibt Interviews ...

... was uns freut. Welches ist denn zur Zeit unser größtes Risiko – außer sich am Virus anzustecken?

Ein Risiko ist unsere Wahrnehmung von Risiken und unsere Reaktion auf die eigene Angst. Ein klassisches Beispiel ist das Verhalten nach dem 11. September 2001. Nach dem Anschlag sind viele Amerikaner aus Angst nicht mehr ins Flugzeug gestiegen. Das Ergebnis war, dass in den folgenden zwölf Monaten ungefähr 1600 Menschen mehr als sonst auf der Straße ihr Leben gelassen haben. So können wir durch den Versuch, einer Gefahr zu entgehen, in eine noch tödlichere hineinlaufen.

Psychologie der Corona-Krise: Notfall-Patienten bleiben womöglich aus Angst zu Hause

Was kann denn für uns derzeit tödlicher sein als die Gefahr durch Corona?

Mir hat gerade der Chef eines großen Krankenhausverbandes geschrieben. Er beobachtet, dass die Anzahl von Patienten, die mit akuten Herzbeschwerden in die Klinik kommen, sich seit Beginn der Corona-Krise fast halbiert hat. Ähnliches gilt für Blinddarmentzündungen und Darminfarkte. Diese Notfallpatienten bleiben wahrscheinlich zu Hause, weil sie Angst haben, sich im Krankenhaus mit Corona zu infizieren.

Sie sterben aus Angst vor dem Tod?

So könnte man sagen. Wir werden möglicherweise wesentlich mehr Tote durch Herzinfarkt und Schlaganfall in dieser Zeit haben, als wir normalerweise hätten.

Wie kommt es, dass Menschen sich mehr vor dem Virus fürchten als vor einem wesentlich gefährlicheren Herzinfarkt?

Weil wir Angst vor Schockrisiken haben. Das sind Situationen, in denen viele Menschen innerhalb kurzer Zeit an etwas Unerwartetem sterben. Die Angst davor ist sehr einfach auszulösen – egal ob das Risiko nun eintritt oder nicht. Das ist ganz anders bei Gefahren, die regelmäßig wiederkehren, zum Beispiel die normale Grippe. Vor zwei Jahren hat das Robert Koch-Institut geschätzt, dass in der damaligen Grippesaison etwa 20 000 Deutsche gestorben sind. Das ging weder durch die Presse, noch hat jemand versucht, die Toten zu zählen.

Risiko-Experte Gerd Gigerenzer: „Etwas mehr Risikokompetenz würde uns allen guttun“

Zur PersonGerd Gigerenzer ist Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er hat zahlreiche Preise erhalten, darunter den Preis der „American Association for the Advancement of Science“ für den besten Zeitschriftenartikel in den Verhaltenswissenschaften, den Preis der „Association of American Publishers“ für das beste Buch in den Sozialwissenschaften sowie den Deutschen Psychologie-Preis und den Communicator-Preis. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der 100 einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.Seine Sachbücher „Das Einmaleins der Skepsis“, „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten“ und „Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft“ wurden mehrfach ausgezeichnet und in 21 Sprachen übersetzt.Wir haben Angst davor, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt, aber Gefahren, die wir kennen, nehmen wir einfach hin?
Genau. Jedes Jahr sterben in deutschen Kliniken ungefähr zehn- bis zwanzigtausend Menschen an multiresistenten Keimen. Dagegen könnte man etwas tun. Aber weil es trotz der vielen Toten nicht als wirklich beunruhigend wahrgenommen wird, passiert relativ wenig. Ähnlich ist es ja bei Flugzeugabstürzen. Jeder Absturz wird groß in der Presse berichtet, aber was ist mit den 3500 Menschen, die jährlich bei Autounfällen zu Tode kommen?
Ein beliebter Postkartenspruch heißt: Das Leben ist ein Risiko. Sie aber sagen: Der moderne Mensch ist für die Risiken des Lebens gar nicht gewappnet.
Etwas mehr Risikokompetenz würde uns allen guttun. Dazu gehört das Verständnis von Zahlen und deren Grenzen, wie etwa die Infektionszahlen, die uns gerade Angst und Hoffnung bereiten. Statistisches Denken wäre heute ein wichtiger Teil von Bildung, der genauso notwendig ist, wie es früher die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben war.
Und was genau verstehen Sie unter Risiko-Kompetenz?
Die Fähigkeit, informiert und entspannt mit Risiken umzugehen ...
Wie soll ich entspannt sein, wenn ich meine alte Mutter nicht im Pflegeheim besuchen darf?
Entspannt bedeutet ja nicht, dass man nicht besorgt ist. Es bezieht sich auf das Handeln. Auch in den schwersten Situationen ist es besser, wenn man versucht, ruhig zu bleiben und nicht in Panik zu geraten – selbst wenn einem das Herz bebt.
Was braucht es noch zur Risikokompetenz?
Dass man erkennt, wenn die eigenen Ängste und Hoffnungen von außen gesteuert werden und wer die Fernsteuerung in der Hand hält. Zur Risikokompetenz gehört eine kognitive Komponente – zum Beispiel statistische Zahlen zu verstehen – und eine emotionale Komponente – damit man sich etwa nicht durch die eigene Angst verunsichern lässt und sich und andere dadurch noch mehr in Gefahr bringt.
Gibt es einen Unterschied zwischen Risiko-Intelligenz und Risiko-Kompetenz?
Ich verstehe Kompetenz als den umfassenderen Begriff. Intelligenz ist die kognitive Seite, um etwa Zahlen und deren Unsicherheiten zu verstehen. Vor einiger Zeit war von einem R-Wert von 0,9 bei Corona die Rede. Da gab es große Freude, weil damit der Reproduktionswert unter eins war. Am nächsten Tag lag er bei 1,0. Daraufhin hat ein FDP-Politiker öffentlich Unruhe gestiftet, weil er dachte, der R-Wert sei angestiegen. Dabei hatte das Robert-Koch-Institut einen Fehlerbereich von 0,8 bis 1,1 angegeben. Es hatte sich also wahrscheinlich gar nichts verändert. So einfache Dinge zu verstehen ist selbst Politikern nicht immer gegeben.

Zur Person

Gerd Gigerenzer ist Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er hat zahlreiche Preise erhalten, darunter den Preis der „American Association for the Advancement of Science“ für den besten Zeitschriftenartikel in den Verhaltenswissenschaften, den Preis der „Association of American Publishers“ für das beste Buch in den Sozialwissenschaften sowie den Deutschen Psychologie-Preis und den Communicator-Preis. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der 100 einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Seine Sachbücher „Das Einmaleins der Skepsis“, „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten“ und „Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft“ wurden mehrfach ausgezeichnet und in 21 Sprachen übersetzt.

Risiko-Experte Gigerenzer: Die meisten Experten haben nie eine gute Ausbildung im statistischen Denken erhalten

„Wir müssen die Mathematik der Ungewissheit lernen, also statistisches Denken.“ Dieser Satz stammt von Ihnen. Warum müssen wir denn? Wozu gibt es Experten?

(Lacht) Haben Sie sich Experten schon mal genauer angesehen? Ich arbeite mit Finanzexperten, Gesundheitsexperten, juristischen Experten ... die meisten von ihnen haben nie eine gute Ausbildung im statistischen Denken erhalten.

Sie behaupten, dass die Experten ihre eigenen Zahlen nicht verstehen?

In einer Studie wurden beispielsweise amerikanische Portfoliomanager und andere Finanzexperten gefragt, die Volatilität einer Aktie zu berechnen – also die Schwankungsbreite von Preisen eines Papiers während eines bestimmten Zeitraumes. Die Mehrheit konnte es nicht. Und unsere eigenen Untersuchungen unter Juristen zeigen, dass die meisten nicht verstehen, was eine DNA-Evidenz bedeutet.

Und was bedeutet sie?

Stellen Sie sich vor, Sie stehen wegen Mordes vor Gericht. Es gibt keinen Beweis gegen sie. Allerdings ein Indiz, weil beim Opfer DNA gefunden wurde, die mit Ihrer übereinstimmt. Jetzt will der Richter wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass diese DNA-Spur tatsächlich von Ihnen stammt. Abhängig davon, wie der befragte Experte die Zahlen darstellt, kann er den Richter in die eine oder andere Richtung führen.

Und damit das Urteil manipulieren?

Soll ich es mal mit Ihnen probieren?

Aber gern ...

Nehmen wir mal an, Sie sind der Richter ...

Richterin – so viel Zeit muss sein ...

(Lacht) Und wie die meisten Richter in Deutschland haben Sie nie ein Training in statistischem Denken absolviert, es aber dummerweise ständig mit Statistiken zu tun. Jetzt fragen Sie einen Experten: Was bedeutet die Übereinstimmung der DNA-Spuren beim Opfer mit denen des Angeklagten? Der Experte kann jetzt auf zweierlei Art antworten. Entweder er sagt: Euer Ehren, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Übereinstimmung durch Zufall zustande gekommen ist, ist eins zu hunderttausend.

Das sieht nicht gut aus für den Angeklagten.

Nicht wirklich. Der Experte könnte aber auch sagen: Von je 100 000 Personen zeigt sich bei einer eine zufällige Übereinstimmung. Für eine Stadt wie Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern würde das heißen, dass es bereits 35 Menschen betrifft. Jetzt sieht es für den Angeklagten besser aus. Aussagen mit Häufigkeiten schaffen Klarheit, Einzelwahrscheinlichkeiten wie im ersten Beispiel können verwirren.

Und bei mir als Richterin sind prompt mehr Zweifel da, ob die DNA als Indiz ausreicht.

Ich habe Bundesrichter in den USA in Risikokompetenz trainiert, wirklich kluge und bewundernswerte Menschen, aber häufig zahlenblind. Das ist bei Ärzten nicht anders. Wir haben Ärzte in Deutschland und den USA getestet, ob sie Gesundheitsstatistiken verstehen. Ergebnis: Drei Viertel der Ärzte sind sich nicht sicher, was die Gesundheitsstatistiken in ihrem eigenen Fach bedeuten.

Corona-Krise: Gesellschaftliches Bewusstsein in Deutschland, dass Statistiken lügen oder unpersönlich seien

Weil sie es nirgendwo lernen?

Statistisches Denken und Risikokommunikation gehören erstaunlicherweise noch immer nicht zur Ausbildung. Selbst mit relativen und absoluten Risiken haben manche Ärzte und noch mehr andere Menschen Schwierigkeiten. Vor einigen Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation gewarnt, dass durch jede 50 Gramm Wurst, die wir täglich essen, die Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken, um 18 Prozent steigt. Was glauben Sie, was das heißt, wenn 100 Leute täglich 50 Gramm Wurst essen?

Dazu müsste ich wissen, wie viele Erkrankungen es vorher gab – und davon dann die 18-Prozent-Steigerung errechnen.

Jetzt sind Sie auf dem richtigen Dampfer. Aber viele – auch einige meiner akademischen Freunde – haben prompt aufgehört, Wurst zu essen, weil sie dachten, dass von je 100 Menschen 18 mehr Darmkrebs bekommen. In Wirklichkeit stieg das absolute Risiko von fünf Prozent auf 5,9 Prozent – das sind 18 Prozent mehr. Der absolute Anstieg betrug also weniger als ein Prozentpunkt. Doch damit können sie keine Aufmerksamkeit und Aufregung erzeugen. Also berichtet man nicht vom absoluten, sondern vom relativen Risiko.

Sie unterstellen der WHO, dass sie bewusst Angst und Unsicherheit erzeugen will?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Verantwortlichen sind zahlenblind und verstehen den Unterschied selbst nicht. Oder sie sind nicht zahlenblind, verstehen den Unterschied und führen uns in die Irre.

Wir benutzen Statistiken für alles und jedes. Seit wann eigentlich?

Die Verbreitung von Statistiken und die Verfügbarkeit von verlässlichen Zahlen ist eine Sache des 19. Jahrhunderts. Und sie waren in der Regel Staatsgeheimnis. Die Idee, dass Statistiken der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, ist ziemlich neu ...

... weil es Herrschaftswissen ist?

Ja. Aber gleichzeitig ist in Deutschland ein gesellschaftliches Bewusstsein entstanden, dass Statistiken lügen oder unpersönlich seien und man sich besser damit nicht beschäftigt und gar nicht versucht, Zahlen zu verstehen. Diese verschrobene statt wissenschaftliche Einstellung verhindert seit Jahrzehnten klares Denken und hat Unmündigkeit und Mangel an Urteilskraft erzeugt.

Risiko-Kompetenz kann in Corona-Zeiten helfen

Aber in allen westlichen Gesellschaften wird doch ständig auf der Grundlage von Zahlen und Statistiken argumentiert.

Richtig, und gleichzeitig lehren wir unseren Kindern und Jugendlichen die Mathematik der Gewissheit, wie Algebra und Geometrie, aber kaum auch die Mathematik der Ungewissheit, statistisches Denken. Darüber hinaus ist es wichtig, zwischen Situationen zu unterscheiden, in denen Statistiken aussagekräftig sind, weil man die Risiken berechnen kann, und solchen, in denen man es nicht kann. Corona-Zeiten zum Beispiel sind von Ungewissheit bestimmt, da kann man nicht alles berechnen; die Zahlen sind sehr unsicher. In anderen Situationen sind Statistiken relativ sicher. Das ist immer dann der Fall, wenn wir es mit einer stabilen Welt zu tun haben. Zum Beispiel sind die Verkehrsstatistiken in normalen Zeiten ziemlich sicher.

Nehmen wir also mal an, ich besitze Risiko-Kompetenz in Corona-Zeiten? Was hilft mir das?

Sie würden etwa bei akuten Herzbeschwerden ins Krankenhaus gehen und nicht zu Hause bleiben. Sie könnten besser verstehen, was die Zahlen, die uns ängstigen, wirklich bedeuten, und dass Vergleiche zwischen Ländern wenig aussagen, wenn die Zahlen ganz verschieden zustande kommen. Die Zahl der Infizierten ist eben nicht die Zahl der Infizierten, sondern die der gemeldeten Infizierten.

Wie kommen die Gemeldeten zustande?

Indem man Tests macht. Wer das nicht tut, wird auch keine Infizierten finden. In den ersten vier Wochen der Corona-Epidemie in Deutschland gab es eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen der Anzahl der Tests, die gemacht wurden, und der gemeldeten Infizierten: je mehr Tests, desto mehr Infizierte. Dann hat sich das geändert. Obwohl immer mehr getestet wurde, sind die Neuinfizierten inzwischen rückgängig. Das scheint mir eine sehr gute Nachricht. Auch bei den Zahlen, die uns noch mehr Angst machen – nämlich die der Corona-Toten –, sollte man genauer hinsehen. Sind es Menschen, die durch den Virus oder mit dem Virus gestorben sind?

Mit dem Virus sterben, nicht am Virus?

Das Robert-Koch-Institut zählt alle Personen, die gestorben und positiv getestet worden sind. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Person durch den Virus gestorben ist. Die italienische Istituto Superiore di Sanita berichtet dazu: 99 Prozent der ersten 3200 mit Corona infizierten Toten hatten Co-Morbiditäten. Das heißt, andere Krankheiten, die zum Tode führen können. Zwanzig Prozent hatten etwa invasiven Krebs, zehn Prozent Gehirnschlag, 75 Prozent Bluthochdruck ... In diesen Fällen ist es oft schwer festzustellen, woran ein Mensch dann wirklich gestorben ist, insbesondere wenn die Hälfte davon über 80 Jahre alt war.

Risiko-Experte: Seit Corona ist klar, dass vermeintliches Handicap uns in der Krise zugute kam 

Aber wenn sich die Todesfälle in Corona-Zeiten häufen, muss es doch einen Zusammenhang geben.

Natürlich. Der Punkt ist zu verstehen, was die Zahlen bedeuten und wie schwierig Vergleiche zwischen Ländern sind. Belgien hat zum Beispiel absolut gesehen mehr Corona-Todesfälle als Deutschland. Was unter anderem daran lag, dass man fast jeden gezählt hat, der in einem Seniorenheim gestorben ist – ohne immer auf Covid-19 zu testen. Belgiens Premierministerin hat inzwischen angekündigt, dass nun anders gezählt werden soll.

Auch so kann man die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen.

Das gelingt manchen Medien ganz wunderbar. In der Schweiz wurde von zwei Corona-Todesfällen unter jungen Menschen berichtet: von einem 27 Jahre alten Mann und einem neunjährigen Mädchen. So junge Menschen werden zwar häufig infiziert, aber Todesfälle sind ungewöhnlich und aufsehenerregend. Später stellte sich heraus, dass der 27-Jährige tatsächlich 87 war, und das neunjährige Mädchen in Wahrheit 109 Jahre alt war.

Was ist denn nun unser Lernprogramm nach der Krise?

Es gibt ein volles Programm. Risikokompetenz, mehr Solidarität, aber auch zu verstehen, dass wir nicht alle Risiken berechnen können. Vielmehr müssen wir mit unberechenbaren Risiken rechnen. Das hat ganz praktische Konsequenzen. Wir hatten über Jahre in Deutschland zwei bis drei Mal so viele Intensivbetten pro Kopf wie in Italien und Spanien. Dafür wurde unser Gesundheitssystem kritisiert, weil wir nicht genügend optimiert haben. Optimieren heißt, so wenig wie möglich an Betten und Personal zu haben, um Kosten zu sparen. Seit Corona wissen wir: Unser vermeintliches Handicap hat mit dafür gesorgt, dass wir in der Krise relativ glimpflich davon gekommen sind. Wenn wir für unberechenbare Risiken gewappnet sein wollen, dürfen wir nicht optimieren, sondern müssen gut vorbeugen.

Interview: Bascha Mika

Was passiert in der Corona-Krise in Deutschland? Wie wirkt sich das Coronavirus auf das Land aus? Aktuelles rund um das Coronavirus in Deutschland gibt es in unserem News-Ticker.

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